Bibtex

@InCollection{,
  Year    = "2019", 
  Title    = "Telekommunikationsunternehmen, Anwendungssysteme für", 
  Author    = "", 
  Booktitle    = "Gronau, Norbert ; Becker, Jörg ; Kliewer, Natalia ; Leimeister, Jan Marco ; Overhage, Sven (Herausgeber): Enzyklopädie der Wirtschaftsinformatik – Online-Lexikon",
  Publisher    = "Berlin : GITO",
  Url    = "https://wi-lex.de/index.php/lexikon/inner-und-ueberbetriebliche-informationssysteme/sektorspezifische-anwendungssysteme/telekommunikationsunternehmen-anwendungssysteme-fuer/", 
  Note    = "[Online; Stand 20. April 2024]",
}

Telekommunikationsunternehmen, Anwendungssysteme für

Christian CzarneckiFrank Bensberg


Der Betrieb und Handel mit Telekommunikationsdienstleistungen erfordert einen hohen Automatisierungsgrad, der durch verschiedene Arten von Anwendungssystemen gewährleistet wird.

Telekommunikationsmarkt

Der Telekommunikationsmarkt durchläuft derzeit eine umfassende Transformation, die sich auf Strategie, Struktur und Technologie der Akteure entlang der gesamten Wertschöpfungskette auswirkt [Alpar et al. 2016, S. 225 ff.]. Die daraus resultierenden Herausforderungen für Telekommunikationsunternehmen (TK-Unternehmen) lassen sich wie folgt zusammenfassen [Czarnecki, Dietze 2017a, S. 315 ff.]:

  1. Veränderte Marktbedingungen: Während der Markt für einige innovative Dienste wächst (z. B. mobile Breitbanddienste), ist eine stetige Stagnation von traditionellen Diensten zu beobachten (z. B. Festnetztelefonie). Neben der zunehmenden Wettbewerbsintensität hat auch der anhaltende technologische Fortschritt dazu beigetragen, dass Margen in Telekommunikationsmärkten kontinuierlich sinken und hoher Kostendruck besteht.

  2. Restrukturierte Wertschöpfungsketten: Der Betrieb von Kommunikationsnetzen zur technischen Informationsübertragung rückt im Vergleich zum Angebot von Inhalten (Content) und Anwendungen immer mehr in den Hintergrund. Darüber hinaus bieten sogenannte Over-the-Top-Anbieter (OTT-Anbieter) Konkurrenzprodukte ohne eigene Netzinfrastruktur an, wie z. B. die Verdrängung des Short Messaging Service (SMS) durch WhatsApp zeigt.

  3. Neue Produkte und Dienstleistungen: TK-Unternehmen sind mit kontinuierlichen Innovationen und kürzeren Produktentwicklungszyklen konfrontiert. Die Konvergenz sowohl auf der Anwendungs- als auch auf der Technologieebene wirkt sich auf die Produktionsstruktur aus.

Referenzmodelle des TM Forums

Zur Unterstützung des Transformationsbedarfs von TK-Unternehmen sind die Referenzmodelle des TM Forums in der Praxis weltweit anerkannt. Das
Industriegremium TM Forum wurde 1988 gegründet und umfasst mehr als 850 Unternehmen und Institutionen, bestehend aus Anbietern von Kommunikationsdiensten sowie der dazugehörigen gesamten Wertschöpfungskette [TM Forum 2019a].

Aus industriespezifischer Sicht stellt das TM Forum die folgenden drei Referenzmodelle als Empfehlungen für TK-Unternehmen bereit [Czarnecki, Dietze 2017b, S. 78 ff.]:

  1. Business Process Framework (eTOM) ist eine hierarchische Strukturierung von Geschäftsprozessen von einem Ordnungsrahmen bis hin zu detaillierten Prozessdefinitionen [Kelly 2003, S. 109 ff.].

  2. Application Framework (TAM) ist eine Strukturierung von Funktionen nach logischen Applikationsgruppen. Diese werden in einem hierarchischen Funktionsbaum bereitgestellt.

  3. Information Framework (SID) ist ein logisches Datenmodell, das aggregierte Datenobjekte definiert und diese in detaillierten Entity-Relationship-Modellen spezifiziert.

Eine umfangreiche Nutzung dieser Referenzmodelle in Praxisprojekten ist dokumentiert [Czarnecki, Winkelmann, Spiliopoulou 2013, S. 985 ff.]. Abb. 1 führt die einzelnen Inhalte des TM Forums in eine Referenzarchitektur für TK-Unternehmen zusammen.

Referenzarchitektur für TK-Unternehmen

 Abb. 1: Referenzarchitektur für Unternehmen [Czarnecki 2016, S. 809]

Anwendungssysteme nach Funktionsbereichen

Die Anwendungssysteme von TK-Unternehmen können in die folgenden Systemgruppen strukturiert werden [Czarnecki 2013, S. 54 ff.]:

  1. Business-Support-Systeme (BSS)

  2. Operations-Support-Systeme
    (OSS)

  3. Administrationssysteme

  4. Managementunterstützungssysteme

  5. Supply-Chain-Management-Systeme

Als domänenspezifische Anwendungssysteme zur Unterstützung der Kernprozesse sind BSS und OSS anzusehen [Bruce et al. 2008, S. 15; Kelly 2003, S. 109; Czarnecki, Dietze 2017b, S. 155]. BSS unterstützen die Funktionalitäten aus Sicht des Vertriebs und des Kundenservice. Somit ist z. B. ein CRM-System ein Bestandteil der BSS. Typische Funktionsbereiche von BSS sind [Czarnecki 2013, S. 100]:

  • Kampagnenmanagement

  • Vertriebsmanagement

  • Produktmanagement

  • Management der Selbstbedienung des Kunden

  • Management von Kundeninformationen

  • Kundenkontaktmanagement

  • Kundenbindung

  • Kundenauftragsmanagement

  • Management von Kundenbeschwerden & -störungen

  • Abrechnung

OSS sind Anwendungssysteme zur Unterstützung von Betrieb und Wartung der Kommunikationsinfrastruktur (z. B. Netzelemente der System- und Linientechnik) [Czarnecki, Dietze 2017b, S. 178]. Sie sind aus dem Bedarf entstanden, nachrichtentechnische Aufgaben von Telekommunikationsnetzen zu automatisieren. So werden z. B. bei Mobilfunknetzen die Aufgaben der Betriebstechnikzentrale in Bezug auf Funkvermittlung und Funkfeststationen durch ein OSS unterstützt. Durch diese historische Nähe zur Nachrichtentechnik wurden OSS meist als monolithische Systeme um Netztechnologien herum konzipiert [Bruce et al. 2008, S. 17–18] und von den Herstellern der Netzelemente als technologiespezifische Lösungen angeboten [Misra 2004, S. 3]. Dies hat dazu geführt, dass TK-Unternehmen häufig über eine Vielzahl technologiespezifischer Altsysteme (Legacy-Systeme) verfügen. Typische Funktionsbereiche von OSS sind [Czarnecki 2013, S. 100]:

  • Auftragsmanagement für Dienste

  • Management der Dienstequalität und -performance

  • Problemmanagement für Dienste

  • Management von Katalogen und Bestandsverzeichnissen für Dienste

  • Management der Bestandsverzeichnisse von Ressourcen

  • Management des Lebenszyklus von Ressourcen

  • Auftragsmanagement von Ressourcen

  • Störungsmanagement von Ressourcen

  • Gebührenerfassung

Während BSS und OSS spezifisch für TK-Unternehmen sind, sind die weiteren Systemgruppen als generisch anzusehen. Administrationssysteme unterstützen die verwaltenden Tätigkeiten wie z. B. Beschaffung, Personal und Rechnungswesen. Managementunterstützungssysteme fassen sämtliche Systeme zusammen, die bei Planungs-, Organisations-, Kontroll- und Steuerungsaufgaben unterstützen. Aufgrund der Fragmentierung der Wertschöpfungsketten stellen Supply-Chain-Management-Systeme eine wachsende Bedeutung für TK-Unternehmen dar. Neben den Systemen zum
Management von Partnern und Lieferanten umfasst diese Gruppe auch die
spezifischen Funktionalitäten für Interconnect und Roaming.

Am Markt werden vielfältige Standardsoftwareprodukte für die dargestellten Systemgruppen angeboten. Typische Beispiele für Anbieter von spezifischen Softwarelösungen für TK-Unternehmen sind u. a. Alcatel-Lucent, Amdocs, Ericsson, Huawei, Netcracker und Oracle. Auf der Website des TM Forums ist eine aktuelle Übersicht von Softwareprodukten verfügbar, die basierend auf den Referenzmodellen eTOM, SID und TAM zertifiziert wurden [TM Forum 2019b].


Literatur

Alpar, Paul; Alt, Rainer; Bensberg, Frank; Grob, Heinz Lothar; Weimann, Peter; Winter, Robert: Anwendungsorientierte Wirtschaftsinformatik – Strategische Planung, Entwicklung und Nutzung von Informationssystemen. 8. Aufl., Wiesbaden : Springer Vieweg, 2016.

Bruce, Gary; Naughton, Brian; Trew, Dave; Parsons, Martine; Robson, Paul: Streamlining the telco production line. Journal of Telecommunications Management, 2018, S. 15–32.

Czarnecki, Christian: Entwicklung einer referenzmodellbasierten Unternehmensarchitektur für die Telekommunikationsindustrie, Berlin : Logos, 2013.

Czarnecki, Christian; Winkelmann, Axel; Spiliopoulou, Myra: Transformation in Telecommunication – Analyse und Clustering von Real-life Projekten. In: Mattfeld, Dirk Christian; Robra-Bissantz, Susanne (Hrsg.): Multi-Konferenz Wirtschaftsinformatik 2012 – Tagungsband der MKWI 2012, Braunschweig: GITO Verlag, 2012, S. 985–998.

Czarnecki, Christian: Design und Nutzung einer industriespezifischen Referenzarchitektur für die Telekommunikationsindustrie. In: Mayr, Heinrich C.; Pinzger, Martin (Hrsg.): INFORMATIK 2016, Lecture Notes in Informatics (LNI), Volume P-259, Bonn: Köllen Druck+Verlag, 2016, S. 807-814.

Czarnecki, Christian; Dietze, Christian: Domain-Specific Reference Modeling in the Telecommunications Industry. In: Maedche, Alexander; vom Brocke, Jan; Hevner, Alan (Hrsg.): Designing the Digital Transformation, DESRIST 2017, Lecture Notes in Computer Science, Volume 10243, Cham: Springer Nature, 2017a, S. 313-329.

Czarnecki, Christian; Dietze, Christian: Reference Architecture for the Telecommunications Industry: Transformation of Strategy, Organization, Processes, Data, and Applications. Cham : Springer International Publishing, 2017b.

Kelly, Michael B.: The TeleManagement Forum’s Enhanced Telecom Operations Map (eTOM). Journal of Network and Systems Management, 2003. S. 109–119.

Misra, Kundan: OSS for telecom networks: An introduction to network management. London: Springer-Verlag London, 2004.

TM Forum: About TM Forum. http://www.tmforum.org/about-tm-forum/ (Abruf 2019-01-09a).

TM Forum: Conformance Certification. http://www.tmforum.org/certifications-awarded/ (Abruf 2019-01-09b).

 

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