Bibtex

@InCollection{,
  Year    = "2019", 
  Title    = "Multikriterielle Losgrößenbildung", 
  Author    = "", 
  Booktitle    = "Gronau, Norbert ; Becker, Jörg ; Kliewer, Natalia ; Leimeister, Jan Marco ; Overhage, Sven (Herausgeber): Enzyklopädie der Wirtschaftsinformatik – Online-Lexikon",
  Publisher    = "Berlin : GITO",
  Url    = "https://wi-lex.de/index.php/lexikon/inner-und-ueberbetriebliche-informationssysteme/sektorspezifische-anwendungssysteme/produktionsplanungs-und-steuerungssystem/losgroessenplanung/multikriterielle-losgroessenbildung/", 
  Note    = "[Online; Stand 29. March 2024]",
}

Multikriterielle Losgrößenbildung

Peter Nyhuis (unter Mitarbeit von Julian Becker)


Die Losgrößenbildung für die Produktion ist eine wesentliche Aufgabe der Produktionsplanung und -steuerung. Mit der Multikriteriellen Losgrößenbildung liegt ein praxisorientiertes Verfahren vor, welches neben monetären Einflussgrößen auch logistische Faktoren berücksichtigt.

Die Losgrößenbildung für die Produktion ist eine wesentliche Aufgabe der Produktionsplanung und -steuerung. Die Dimensionierung von Produktionslosen geschieht i.d.R. kostenorientiert und greift traditionell auf die durch die Losgröße beeinflussten Auftragsauflage- sowie Lagerhaltungskosten zurück. Dieses von Andler (1913) bzw. Harris (1929) eingeführte Grundmodell vernachlässigt jedoch weitere losgrößenabhängige Effekte, welche direkt auf die logistische Leistungsfähigkeit eines produzierenden Unternehmens einwirken. Die Multikriterielle Losgrößenbildung berücksichtigt all diese Effekte und ermöglicht eine praxisorientierte sowie aufwandsarme Ermittlung logistikorientierter Losgrößen.

Der Einfluss der Losgröße auf die Durchlaufzeit liegt unmittelbar auf der Hand. Bei großen Losen ist eine größere Anzahl an Teilen für einen Fertigungsauftrag zu fertigen, woraus eine größere mittlere Auftragszeit resultiert. Der Mittelwert sowie die Streuung der Auftragszeiten, welche unterschiedliche Produktionsaufträge an einem Arbeitssystem verursachen, bestimmen das sinnvolle Maß des Auftragsbestands in der Produktion (Work in Process: WIP), welcher für eine gewünschte Auslastung der entsprechenden Ressourcen notwendig ist. Je breiter die Verteilung der Auftragszeiten – infolge großer Fertigungslose – ist, desto mehr WIP wird benötigt, um organisatorische Stillstände der Produktionskapazitäten zu vermeiden. Kleinere Lose münden dagegen in reduzierten und damit i.d.R. harmonisierten Auftragszeiten und ermöglichen das Einstellen eines geringeren Auftragsbestandsniveaus. Die dadurch kürzeren Warteschlangen vor einzelnen Arbeitssystemen resultieren auch bei einer gewünschten hohen Auslastung in kürzeren Durchlaufzeiten. Streuende Durchlaufzeit lassen sich im Rahmen der Produktionsplanung und -steuerung nur schwer handhaben, da gängige ERP-Systeme oft mit konstanten Übergangs- bzw. Wartezeiten arbeiten. Dieser Sachverhalt führt unweigerlich zu einer Abweichung von geplanter zu realisierter Durchlaufzeit und mündet meist in einer hohen – ganz sicher aber in einer stark streuenden Terminabweichung. In der industriellen Praxis ergibt sich bei langen Warteschlangen aufgrund verschiedener betrieblicher Ursachen außerdem die Notwendigkeit von Reihenfolgevertauschungen der zu bearbeitenden Aufträge. Das führt dazu, dass vorgezogene Aufträge deutlich verkürzte Durchlaufzeiten aufweisen und sich die Durchlaufzeiten zurückgestellter Aufträge verlängern. Die Terminabweichung zurückgestellter Aufträge nimmt dadurch zu. Zusammenfassend führen steigende Losgrößen nicht nur zu langen mittleren Durchlaufzeiten, sondern auch zu einer erhöhten Streuung derselben, welche letztendlich in einer geringeren Flexibilität und damit einer sinkenden Termintreue der Fertigung resultiert (Schmidt et al. 2014).

Die Multikriterielle Losgrößenbildung berücksichtigt die zusätzlichen logistischen Einflussfaktoren (Durchlaufzeit, Termintreue, Flexibilität etc.) in Form eines Logistikkostenfaktors LF (Münzberg 2013). Dieser steht für das Verhältnis der gesamten relevanten und losgrößeninduzierten Kosten in Relation zu den traditionell verwendeten Lagerhaltungskosten, welche relativ einfach bestimmt werden können (vgl. Abb. 1).

multikriteriell1

Abb.1: Grundidee eines praxisnahen logistikorientierten Ansatzes zur Losgrößendimensionierung

Die tatsächliche optimale Losgröße xopt ergibt sich damit aus dem Grundmodells – ergänzt um den beschriebenen Logistikkostenfaktor.

multikriteriell2

Gleichung 1: Optimale Losgröße nach dem logistikorientierten Modell

In der industriellen Praxis bietet es sich an, die Elemente der Logistikkosten zu berechnen, welche analytisch bestimmbar sind. Dabei handelt es sich um die Fertigungsbestandskosten, welche mit zunehmender Losgröße und den resultierenden längeren Warteschlangen positiv mit der Losgröße korrelieren. Das Verfahren der Durchlauforientierten Losbildung (vgl. Nyhuis, 1991) ermittelt diese Kosten und lässt sie in die Losgrößenentscheidung einfließen. Zahlreiche Anwendungen des Verfahrens in der Industrie bestätigen, dass die Berücksichtigung der Fertigungsbestandskosten fast ausnahmslos zu Losgrößen führen, welche bei unter 50 % der Grundmodelllosgröße (nach Andler) liegen. Das käme einem Logistikkostenfaktor von vier oder höher gleich, welcher als Minimum für einen zu verwendenden LF-Wert angesetzt werden kann. Als Obergrenze sollte ein Wert von LF = 16 gesetzt werden, da die reine Abschätzung von LF bei höheren Werten auch spürbar höhere Stückkosten nach sich ziehen kann.

Für die Anwendung in der betrieblichen Praxis bietet es sich also an, wettbewerbsrelevante Artikel (i.d.R. umsatzstarke A-Teile) zu identifizieren und für vorliegende Auftragswechselkostensätze einen Logistikkostenfaktor zu bestimmen, welcher deutlich geringere Mehrkosten nach sich zieht, als es beim weit verbreiteten Grundmodell der Fall ist (Schmidt et al. 2014; Münzberg 2013).


Literatur

Andler, K. (1929): Rationalisierung der Fabrikationr und optimale Losgrösse. München: Oldenbourg

Harris, F. W. (1913): How many parts to make at once. In: Factory, The Magazine of Management 10 (2), S. 947–950.

Münzberg, B. (2013): Multikriterieller Losgrößenbildung, Dissertation Leibniz Universität Hannover, Garbsen: Berichter aus dem IFA (2013)

Nyhuis, P. (1991): Durchlauforientierte Losgrößenbestimmung.r Düsseldorf: VDI Verlag

Schmidt, M.; Münzberg, B.; Nyhuis, P. (2014) Determining lot sizes in production areas – exact calculations versus research based estimation, CIRPe2014r – 3rd CIRP Global Web Conference on Production Engineering Research:r Advancement beyond state of the art”, Naples, Italy, 3-5 June 2014.

 

Hier weiterverbreiten

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert