Ein Online-Shop-System bezeichnet Software zur Realisierung des Absatzes von Produkten und Dienstleistungen über elektronische Netzwerke.
Einordnung und Begrifflichkeiten
Ein Online-Shop-System (oft auch kurz: Shop-System) bezeichnet Software (ein Anwendungssystem), um Online-Shopping zu realisieren, sprich den Absatz von Produkten und Dienstleistungen über elektronische Netzwerke zu unterstützen.
Unter „Online Shopping“ versteht man den Prozess, den ein Kunde durchläuft, um auf elektronischem Wege Produkte oder Dienstleistungen zu erwerben. Online-Shop-Systeme bieten hierzu für Endkunden eine entsprechende Umgebung, in der Güter zum Verkauf angeboten werden. Aus Unternehmenssicht stellen sie einen zentralen Baustein elektronischer („Online“-)Absatzkanäle dar (Electronic Commerce).
Architektur von Online-Shop-Systemen
Ein Online-Shop-System ist technisch betrachtet eine Software, die auf einem Server des Online-Shop-Betreibers (oder eines dafür eigens beauftragten Dienstleisters) installiert ist. Es existieren zahlreiche Ausgestaltungs- und Betreiber-Varianten. Unternehmen können, neben der Möglichkeit der Eigenerstellung eines Online-Shop-Systems, auf eine Vielzahl von vorgefertigten Standard-Shop Systemen von kommerziellen Anbietern (Kauf-Shops) oder auf frei verfügbare Open Source-Lösungen zurückgreifen. Moderne Shop-Systeme sind modular aufgebaut und ermöglichen die unabhängige Weiterentwicklung der jeweiligen Module. Um offene oder teil-offene Shop-Systeme entstehen häufig aktive Communities. Diese sorgen oft dafür, dass es für neue Trends, Anforderungen und auch für ausgefallene Anwendungsfälle und Problemstellungen fertige Module und Lösungen gibt. Bei X.commerce (eine Firma der Unternehmung ebay) handelt sich beispielsweise um ein kostenloses System, das alle für den Handel notwendigen Technologien in einem offenen und frei zugänglichen Format anbietet und sich über die Beratung bei der Prozesseinführung finanziert. Die zentralen technischen Komponenten (Shop-System, Web-Server, Anbindung an Datenbanksysteme sowie weitere Kommunikations- und Anwendungssysteme etwa zur Warenwirtschaft/ ERP-Systeme) können dabei zumeist entweder bei dem späteren Shop-Betreiber als eine zu installierende Software zur Verfügung gestellt werden, die in Teilen an die Gegebenheiten angepasst werden kann, oder bei einem dafür spezialisierten Provider installiert werden. Bei Miet-Shops werden wesentliche Teile der technischen Infrastruktur von einem Provider zur Verfügung gestellt. Neuere Spielarten umfassen dabei in weiten Teilen vorkonfigurierte Shop-Systeme, die für schlanke Anforderungen eine sehr effiziente und schnelle Realisierung erlauben. Einige Provider verknüpfen dabei die weitgehend vorkonfigurierten Shop-Systeme technisch und inhaltlich eng an bereits bestehende, „größere“ Shop-Systeme und Warenwelten. Damit ist es möglich, einen Online-Shop mit eigenen und/oder mit dem vom Provider „vermittelten“ Waren in wenigen Minuten einzurichten. Beispiele umfassen Yahoo! Merchant Solutions oder Amazon Webstore bzw. aStore von Amazon.
Moderne Online-Shop-Systeme verfügen über zahlreiche Funktionalitäten, die den Online-Einkauf unterstützen, der in mehrere Phasen unterteilt werden kann [Langenohl 1994, S. 18, Kollmann 2013]:
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Informationssuche: Die Phase dient zur Information des potentiellen Käufers. In Online-Shop-Systemen wird diese Phase durch elektronische Produktkataloge unterstützt, die in Design und Aufbau oft an physische Geschäftslayouts und diverse (Print-)Katalogformate angelehnt sind. Als Grundlage dient eine Produktdatenbank mit detaillierten Produkt-Informationen sowie Content-Management-Systeme, die weitere Absatz-relevanten (Produkt-) Informationen flankieren. Diese Datenbestände können durchsucht und Ergebnisse im Shop-System angezeigt oder verarbeitet werden. Stark verbreitet sind Empfehlungsfunktionen („Recommender Systeme“), die auf Grundlage der Analyse der Verkaufshistorie oder Ähnlichkeiten der Produkte selbst (mittels Data Mining) weitere passende Produkte suchen bzw. dem Nutzer vorschlagen. Damit lassen sich quasi individuell zugeschnittene Angebote erzeugen. Eine zunehmende Rolle spielen Verbraucherbewertungen, die für Shop-Besucher zugänglich gemacht werden, mit dem Ziel, dem potentiellen Käufer informationelle Mehrwerte zu bieten und damit den Absatzerfolg zu steigern.
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Bestellung und Bezahlung: In dieser Phase findet der Einkaufsvorgang im engeren Sinne statt. Insbesondere bei Kaufvorgängen, die mehrere Produkte umfassen, ist der so genannte Warenkorb („Shopping Cart“) eine zentrale Funktionalität, in den Käufer ausgewählte Produkte „hineinlegen“ können. Zur Abwicklung der Zahlung ist häufig ein Payment-Gateway für die Übermittlung der Zahlungsinformationen an etwa Banken oder Kreditkarten-Institute integriert, so dass eine Bezahlung unmittelbar online (im Gegensatz zur Lieferung „auf Rechnung“ und Bezahlung außerhalb des Online-Shop- Systems) realisiert werden kann. Um die Kaufwahrscheinlichkeit zu erhöhen, werden den Kunden zumeist mehrere Zahlungsdienstleister angeboten. In hochintegrierten Online-Shop-Systemlösungen sind hierbei enge informationstechnische Kopplungen mit z.B. ERP-Systemen etwa zu Zwecken der unmittelbaren Koordination mit Daten der Waren- und Finanzwirtschaft eines Unternehmens realisiert.
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Distribution und After-Sales-Services: Hier werden über die Verknüpfung zum Backend die (physische oder online) Auslieferung der Waren und diverse Fakturierungs- und Logistikfunktionen angestoßen. Für Rückfragen und Reklamationen kommen Customer Relationship Management-Funktionalitäten beziehungsweise Systeme zum Einsatz, mit denen die Kunden sich entweder selbst über den Status von Bestellungen online informieren können oder von Mitarbeitern beraten werden.
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Viele Shop-Systeme verfügen über ausgefeilte Controlling-Funktionalitäten (Web-/ Traffic-Analyse, Kennzahlensysteme bezüglich z.B. finanzwirtschaftlicher, informationstechnischer oder kunden-/ verhaltensbezogener Dimensionen).
Erlösmodelle auf Basis von Online-Shop-Systemen
Die Erlösmöglichkeiten von Online-Shop-Betreibern hängen von ihrer Position in der Wertschöpfungskette ab. Hersteller haben die Möglichkeit zum Direktvertrieb und damit zu einer Disintermediation der klassischen Handelsstrukturen. Oft sind hier allerdings Vertriebskanalkonflikte mit etablierten Handelsstrukturen zu bedenken. Für Hersteller und Händler eröffnet ein Online-Shop im Wesentlichen einen weiteren Absatzkanal. Zuweilen treten Marktspieler in Form von Online-Shop-Betreibern als (neue) Intermediäre zwischen Anbieter- und Nachfragerseite auf (Reintermediation) und bilden so einen elektronischen Marktplatz. Ihre Erlöse setzen sich etwa aus Vermittlungs- und/oder Verkaufsprovisionen und Gebühren für die Nutzung des Marktplatzes zusammen [Wirtz 2013]. Ein weiteres Beispiel stellen Meinungsportale wie Ciao dar. Sie bieten neben Preisvergleichen zu unterschiedlichen Produkten und Dienstleistungen weitere Informationsdienste (Shopping-Ratgeber etc.) an. Die mit persönlichen Erfahrungsberichten der Community-Mitglieder (nutzergenerierter Content) angereicherte Web-Seiten soll die Relevanz für (Preis-)Suchmaschinen erhöhen sowie sich positiv auf Kundenbindung und Umsatzsteigerung auswirken. Das Geschäftsmodell besteht darin, Provisionen von Online-Shop-Betreibern zu verlangen an die Kaufinteressierte weitergeleitet werden.
Daneben verdienen Online-Shop-Betreiber über sekundäre Dienstleistungen, wie der Vermietung von Online-Werbeplätzen. Dies erfolgt direkt oder über Onlinewerbungs-Agenturen wie Doubleclick, einem Anbieter für Online-Marketing-Lösungen wie Banner-, Rich-Media- und Suchmaschinen-Werbung, oder Google AdSense, einer Funktionalität der Firma Google, die Werbung auf Webseiten zur Verfügung stellt. Ebenso können über Logistik- oder Zahlungsdienste Erlöse erzielt werden.
Es ist nach wie vor ein Wachstum im Bereich von Online-Shop-Systemen zu beobachten. Besondere Bedeutung kommt dem stark zunehmenden Mobile Commerce (M-Commerce) zu, der den Online-Shop und damit das Online-Shopping des Endkunden jederzeit ortsunabhängig macht. Mobile Commerce stellt jede Art von geschäftlichen Transaktionen dar, bei der die Transaktionspartner mobile elektronische Kommunikationstechniken, wie z.B.: Mobilfunk, Wireless LAN oder Bluetooth in Verbindung mit mobilen Endgeräten einsetzen [OECD 2007, S. 5].
Trends
Affiliate Marketing Systeme stellen ein Software-System dar, das auf dem Prinzip der Vermittlungsprovision basiert und eine Schnittstelle zwischen Händlern und potenziellen Kunden darstellt. Mit diesen Systemen vermarkten Firmen ihre Produkte und Dienstleistungen durch Verlinkung auf Partner-Webseiten, wofür Provisionen anfallen [Lammenett 2012, S. 42]. Durch den Link mit Partnerkennung kann der Händler feststellen, von wem der Kunde geschickt wurde. Provisionen werden gezahlt, wenn auf das Werbemittel geklickt wird („Click“), qualifizierte Kundenkontakte übermittelt werden („Lead“) oder ein Produkt oder Dienstleitung verkauft wird („Sale“).
Die Integration “sozialer Interaktionen“ nimmt bei Online-Shop-Systemen stark zu:Dabei werden etwa nutzergenerierte Inhalte eingebunden, wie Verbraucherbewertungen und Informationen über Kaufvorgänge, die Handelsaktivitäten stimulieren sollen. Beispiele umfassen die Positionierung zusätzlicher Schaltflächen auf Webseiten, wie etwa der „Like-Button“ von Facebook oder der „Tweet-Button“ von Twitter, um ein „Fan“ des Online-Shops auf Facebook zu werden oder das Twittern direkt aus einem Blog oder von einer Webseite zu ermöglichen, ohne diese verlassen zu müssen. Zuweilen werden diese Entwicklungen als Social Commerce (S-Commerce) bezeichnet [Lammenett 2012, S. 251].
Eine zunehmende Konvergenz der Absatzkanäle aufgrund der Verbreitung von internetfähigen Mobiltelefonen und der verstärkten Internetnutzung von Konsumenten ist erkennbar: Einerseits werden ursprünglich stationär angebotene Produkte und Dienstleitungen online angeboten, andererseits suchen Online-Shops den Weg in die Offline-Welt, um dort Marktpotentiale auszuschöpfen. Der Bezahlservice PayPal erweitert etwa sein Angebot um Offline-Dienste, um die zunehmende Popularität ortsbezogener Online-Dienste mit dem stationären Handel zu verknüpfen. Handy-basierte Bezahlsysteme stellen einen weiteren Ansatz für die Integration von Absatzkanälen dar.
Die herausragende Bedeutung des Suchmaschinenmarketing (Search Engine Marketing, SEM) für die Auffindbarkeit und Sichtbarkeit des eigenen Angebots: SEM – als ein Teilgebiet des Online-Marketing – besteht aus allen Maßnahmen, die zur Gewinnung von Besuchern für eine Webpräsenz über Websuchmaschinen führen. Hier wird zwischen Suchmaschinenwerbung (Search Engine Advertising, SEA) und Suchmaschinenoptimierung (Search Engine Optimization, SEO) unterschieden [Lammenett 2012, S. 117]. Suchmaschinenoptimierung spielt eine große Rolle bei der Auffindbarkeit des Online-Shops. Mit der SEO sollte die betroffene Webseite unter häufig frequentierten Suchbegriffen auf den vorderen Positionen nachhaltig platziert werden.
Die Zunahme der Selbstorganisation der Nutzer („kollektiver Intelligenz“), wie zum Beispiel bei mydealz.de: Die Nutzer können dort selbst online recherchieren, um Schnäppchen / Preisfehler in online Shops zu finden und gewonnene Informationen darüber mit anderen austauschen.
Literatur
Kollmann, Tobias: E-Business. 5. Aufl., Wiesbaden :r Gabler, 2013.
Lammenett, Erwin: Praxiswissen Online-Marketing. 3.r Aufl., Wiesbaden : Gabler, 2012.
Langenohl, Thomas: Systemarchitekturen Elektronischerr Märkte. St. Gallen,r Universität, Diss., 1994.
OECD: Mobile Commerce. OECDr Digital Economy Papers No. 124, Paris : OECD Publishing, 2007.
Wirtz, Bernd: Medien- und Internetmanagement. 8. Aufl., Wiesbaden :r Gabler, 2013