Bibtex

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  Year    = "2019", 
  Title    = "Vollständiger Finanzplan (VOFI)", 
  Author    = "", 
  Booktitle    = "Gronau, Norbert ; Becker, Jörg ; Kliewer, Natalia ; Leimeister, Jan Marco ; Overhage, Sven (Herausgeber): Enzyklopädie der Wirtschaftsinformatik – Online-Lexikon",
  Publisher    = "Berlin : GITO",
  Url    = "https://wi-lex.de/index.php/lexikon/inner-und-ueberbetriebliche-informationssysteme/betriebswirtschaftlich-administrative-informationssysteme/finanz-und-rechnungswesen-informationssysteme-im/vollstaendiger-finanzplan-vofi/", 
  Note    = "[Online; Stand 4. November 2024]",
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Vollständiger Finanzplan (VOFI)

Heinz Lothar Grob


Der Vollständige Finanzplan (VOFI) stellt eine tabellenorientierte Methode der Investitionsrechnung dar, durch die die Restriktionen der formelorientierten klassischen Modelle aufgehoben werden. VOFI eignet sich auch zur Integration der Daten der kurzfristigen Kosten- und Leistungsrechnung in die langfristige Unternehmensplanung.

Definition und Eigenschaften von VOFI

Der Vollständige Finanzplan (VOFI) stellt eine tabellenorientierte Alternative zur klassischen formelorientierten Investitionsrechnung dar [Grob 1989 und 2006]. Besondere Eigenschaften von VOFI sind dessen Einfachheit und Ausbaufähigkeit. Die Einfachheit zeigt sich vor allem in der leichten Nachvollziehbarkeit der einem Controllingobjekt zuzurechnenden originären Daten (z. B. die Zahlungsfolge einer Investition), die mit derivativen Daten (z. B. Kreditaufnahmen, Steuerzahlungen) verknüpft werden, um schließlich auf der Basis von Fortschreibungsformeln den Zielwert (z. B. Endwert, Rentabilität) zur Beurteilung des Controllingobjekts zu ermitteln. Die Ausbaufähigkeit betrifft insbesondere die Finanzierungsseite und die Abbildung der steuerlichen Konsequenzen einer Entscheidungsalternative, aber auch die Erweiterung des ursprünglich deterministischen zu einem stochastischen Modell, in dem Wahrscheinlichkeitsverteilungen enthalten sind.

Aufbau und Algorithmus zur Zielwertermittlung

Der Aufbau eines VOFI-Systems geht aus Abbildung 1 hervor. Den Ausgangspunkt bildet die Zahlungsfolge des zu untersuchenden Controllingobjekts. Zur Abbildung der Finanzierungsseite sind die relevanten Ausprägungen von Eigen- und Fremdkapitaldisposition zu berücksichtigen. Außerdem sind periodenweise die weiteren Zahlungen in Form von Re- und Ergänzungsinvestitionen sowie die Ertragsteuerzahlungen bzw. -erstattungen zu erfassen, um im unteren Bereich des VOFIs die jeweiligen Finanz- und Kreditbestände auszuweisen. Nebenrechnungen zum VOFI betreffen beispielweise die Ermittlung der Ertragsteuern.

VOFI System

Abb. 1: VOFI-System [Grob 2006, S. 113]

Die Zielwertermittlung (z. B. Endwert) erfolgt bei einem deterministischen Modell entweder in periodisch-sukzessiver oder in simultaner Form. Bei der periodisch-sukzessiven Methode werden am Ende eines jeden Zeitabschnitts Kredit- oder Anlagedispositionen durchgeführt, die zu einem Liquiditätsgleichgewicht in Form eines Finanzierungssaldos von Null führen. Eine simultane Vorgehensweise zur Maximierung des Zielwertes erfordert die Formulierung eines Gleichungssystems, das mit Hilfe der Linearen Programmierung zu optimieren ist.

Bei einem stochastischen Modell werden den unsicheren Elementen eines VOFIs (z. B. Absatzmengen als mengenmäßiger Bestandteil des operativen Cashflows) Verteilungen zugeordnet. Anschließend werden im Rahmen einer Simulation Pseudo-Zufallszahlen erzeugt und in Eingabedaten transformiert, die dann periodisch-sukzessiv zu Zielwerten verdichtet werden. Aus der Häufigkeitsverteilung dieser Zielwerte wird eine Wahrscheinlichkeitsverteilung ermittelt und durch Kumulation der Zielwerte das Risiko-Chancen-Profil erzeugt. Ferner können Risiko-Kennzahlen, wie z. B. die Ruin-Wahrscheinlichkeit oder der Value at Risk ermittelt werden.

Softwaretechnische Realisierung

VOFI ist dafür prädestiniert, mit Hilfe von Tabellenkalkulationsverfahren implementiert zu werden. Höhere Qualitätsansprüche können durch die Entwicklung ausführbarer Programme realisiert werden. Durch das MDA (Model Driven Architecture)-Konzept lassen sich für beliebige Varianten eines Grundkonzepts spezifische Anforderungen an die Funktionalität des VOFIs erfüllen [Dewanto 2007]. Im Rahmen größerer Informationssysteme zum Rechnungswesen kann VOFI auch für weitere Controllingaufgaben genutzt werden.

VOFI als Bestandteil eines Controllingsystems

Als Bestandteil eines Controllingsystems [Schultz 2005], das z. B. nach dem Schichtenmodell eines BI (Business Intelligence)-Systems aufgebaut ist, lassen sich Soll- und Istwerte für beliebige monetäre Ziele (z. B. Endwert, Economic Value Added) sowie ein System weiterer Kennzahlen (z. B. VOFI-Gesamtkapitalrentabilität, Return on Investment nach Steuern) ermitteln. Im Rahmen des wertorientieren Controllings können die aus dem CAPM (Capital Asset Pricing Model) herzuleitenden Eigenkapitalkosten in den VOFI als Ausschüttungsbeiträge integriert werden. Bei diesem Konzept stellt der Zielwert den kalkulatorischen Totalgewinn nach Steuern dar. Falls dieser positiv ist, werden nicht nur die Ansprüche der Shareholder und der Fremdkapitalgeber befriedigt, sondern auch die des Staates (Steuern) und der übrigen Stakeholder (z. B. Mitarbeiter, Lieferanten).

Weitere Controllinginstrumente auf der Datenbasis von VOFI

Durch die Möglichkeit von VOFI, beliebige Finanzierungsinstrumente zu integrieren und an andere Methoden anzubinden (z. B. an Prozessmodelle), bietet sich die Instanziierung des VOFI als Instrument für spezifische Controlling-Zwecke (z. B. TCO-VOFI, Supply Chain VOFI, VOFI im IT-Sicherheitsmanagement, Kooperations-VOFI, VOFI zum Prozesscontrolling oder zum Outsourcing-Controlling). Darüber hinaus können aus der Datenbasis von VOFI die relevanten Daten für weitere Controllinginstrumente, z. B. für die KLR (Kosten- und Leistungsrechnung) oder Totalgewinn- und Cashflow-Analysen gewonnen werden. Auch die Entwicklung einer Projekt-Bilanz ist möglich, da im VOFI-System die relevanten Bestandsgrößen enthalten sind. Selbstverständlich kann auch eine Projekt-Gewinn- und Verlustrechnung auf Basis der im VOFI enthaltenen bzw. zu generierenden Bewegungsgrößen erzeugt werden [vgl. Grob 2016]. Letztlich können in dem System sowohl kurzfristige Spitzenkennzahlen, wie der ROCE und langfristige Spitzenkennzahlen, wie die VOFI-Gesamtkapitalrentabiliät nach Steuern respektive die WACCs bzw. der zeitlich totale Kapitalkostensatz erzeugt werden. Auch wird der mathematische Zusammenhang zwischen den kurz- und den langfristen Gesamtkapitalrentabilitätskennzahlen des VOFIs deutlich gemacht.


Literatur

Dewanto, B. Lofi: Anwendungsentwicklung mit Model Driven Architecture: dargestellt anhand vollständiger Finanzpläne. Berlin : Logos, 2007.

Grob, Heinz Lothar: Investitionsrechnung mit vollständigen Finanzplänen. München : Vahlen, 1989.

Grob, Heinz Lothar: Einführung in die Investitionsrechnung: Eine Fallstudiengeschichte. 5. Auflage, München : Vahlen, 2006.

Grob, Heinz Lothar: Spitzenkennzahlen. Münster : 2016.  https://www.wi.uni-muenster.de/aw/publikation/case/Grob_Spitzenkennzahlen.pdf

Grob, Heinz Lothar; Lahme, Norman: Total Cost of Ownership-Analyse mit vollständigen Finanzplänen. In: Controlling (März 2004), S. 157-164.

Schultz, Martin B.: Anreizorientiertes Investitionscontrolling mit vollständigen Finanzplänen. Berlin : Logos, 2005.

 

Autor

Prof. Dr. Heinz Lothar Grob, Universität Münster, Institut für Wirtschaftsinformatik, Leonardo-Campus 3, 48149 Münster

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