Bibtex

@InCollection{,
  Year    = "2022", 
  Title    = "Architektur integrierter Informationssysteme", 
  Author    = "Fettke, Prof. Dr. Peter", 
  Booktitle    = "Gronau, Norbert ; Becker, Jörg ; Kliewer, Natalia ; Leimeister, Jan Marco ; Overhage, Sven (Herausgeber): Enzyklopädie der Wirtschaftsinformatik – Online-Lexikon",
  Publisher    = "Berlin : GITO",
  Url    = "https://wi-lex.de/index.php/lexikon/informations-daten-und-wissensmanagement/informationsmanagement/business-engineering/business-engineering-ansaetze-des/architektur-integrierter-informationssysteme/", 
  Note    = "[Online; Stand 4. November 2024]",
}

Architektur integrierter Informationssysteme

Peter Fettke


Die Architektur integrierter Informationssysteme (ARIS) wurde entwickelt, um die Komplexität des betrieblichen Geschehens systematisch erfassen und gestalten zu können. ARIS umfasst die Daten-, Funktions-, Organisations-, Steuerungs- und Leistungssicht. Ferner werden eine Fachkonzept-, DV-Konzept- und Implementierungsebene unterschieden.

Überblick

Ausgehend von der Bedeutung der Informationstechnik bei der Gestaltung von Unternehmen hat Scheer in den 1980er Jahren die Notwendigkeit für einen einheitlichen Bezugsrahmen zur Unternehmensgestaltung erkannt, der sowohl betriebswirtschaftliche als auch informationstechnische Aspekte umfasst. Um der Komplexität des Gegenstandes gerecht zu werden, unterscheidet die ARIS unterschiedliche Beschreibungssichten und -ebenen ([Scheer 2001; Scheer 2002], vgl. Abbildung 1). Während die Beschreibungssichten unterschiedliche inhaltliche Aspekte von Unternehmen erfassen, spiegeln die Beschreibungsebenen in Anlehnung an die typischen Phasen des Software-Engineering eine unterschiedliche Nähe der Beschreibung zur Informationstechnik wieder.

ARIS

Abb. 1: Graphische Darstellung der ARIS (Quelle: [Scheer 2002, S. 41])

Modellierungssichten

Die ARIS unterscheidet ursprünglich eine Daten-, Funktions-, Organisation- und Steuerungssicht, die in späteren Publikationen um eine Leistungssicht erweitert wurde:

  • Datensicht: Diese Sicht umfasst alle betriebswirtschaftlich relevanten Informationsobjekte und deren Beziehungen untereinander, das heißt alle Daten, die im Zusammenhang mit den Aktivitäten eines Unternehmens stehen. Informationsobjekte umfassen sowohl Zustände wie Artikel- oder Kundenstatus als auch Ereignisse wie „Kundenauftrag ist eingetroffen“ oder „Fertigungsauftrag wurde ausgelöst“.

  • Funktionssicht: Diese Sicht beschreibt alle betriebswirtschaftlich relevanten Tätigkeiten (Funktionen), ihre inhaltliche Beschreibung sowie ihre hierarchischen Beziehungen untereinander. Untergeordnete Funktionen sind als Teilfunktionen der übergeordneten Funktion zu interpretieren.

  • Organisationssicht: Innerhalb dieser Sicht werden alle Organisationseinheiten, das heißt personelle und materielle Ressourcen, eines Unternehmens und deren Beziehungen untereinander modelliert.
    Steuerungssicht: Diese Sicht stellt den zeitlich-sachlogischen Zusammenhang zwischen betrieblichen Aufgaben her. Damit nimmt die Steuerungssicht aufgrund ihres integrativen Charakters eine herausragende Stellung innerhalb ARIS ein und bildet Beziehungen zwischen den drei zuvor genannten Sichten ab. Die Steuerungssicht wird zuweilen von manchen Autoren auch Prozesssicht genannt, wobei diese Auffassung im Verhältnis zum ursprünglichen Verständnis von Scheer ein erheblich eingeschränktes Verständnis von Prozessen impliziert.

  • Leistungssicht: In dieser Sicht werden sämtliche materiellen und immateriellen Produkte beschrieben, die sowohl Ausgangspunkt als auch Ergebnis des betrieblichen Leistungsprozesses sein können.

Modellierungsebenen

Orthogonal zu der durch die Sichten vorgenommenen Unterteilung werden in Anlehnung an das Software Engineering drei Abstraktionsebenen differenziert. Diese als Fachkonzept, DV-Konzept und Implementierung bezeichneten Ebenen haben innerhalb der ARIS allerdings nicht primär die Bedeutung eines Vorgehensmodells, sondern verdeutlichen vielmehr die Nähe des modellierten Sachverhaltes zur Informationstechnik. Ausgangspunkt der Betrachtung ist immer eine betriebliche Problemstellung, die durch ein Anwendungssystem modelliert werden soll. Während auf fachkonzeptioneller Ebene ein klarer Schwerpunkt auf der betriebswirtschaftlichen Beschreibung eines Sachverhaltes liegt nimmt die Art der Darstellung über die DV-Konzept-Ebene bis hin zur Implementierung eine immer stärkere technische Perspektive ein.

  • Fachkonzept: Diese Ebene beschreibt die nur unzureichend formalisierten Sachverhalte der betrieblichen Problemstellung mit Hilfe einer konsistenten, formalisierten Sprache und ist somit eng an die Problemstellung gekoppelt. Auf dieser Abstraktionsstufe werden semantische Modelle wie semantische Datenmodelle (Datenmodellierung, Datensicht), Funktionsdekompositionsdiagramme (Funktionssicht), Organigramme (Organisationssicht), Vorgangsketten bzw. ereignisgesteuerte Prozessketten (EPK, Steuerungssicht) und Produktmodelle (Leistungssicht) eingesetzt. Der Zweck der fachkonzeptuellen Beschreibung ist eine intersubjektiv vergleichbare Darstellung der betrieblichen Problemstellung. Modelle des Fachkonzepts dürfen keine Sprachmittel der Informationstechnik verwenden oder bestimmte DV-Konzepte bevorzugen oder gar voraussetzen.

  • DV-Konzept: Diese Ebene spezifiziert, wie das Fachkonzept in Konzepte der DV-Technik umzusetzen sind. Auf der Abstraktionsstufe werden Datenbankmodelle (Datensicht), Struktogramme (Funktionssicht), Netztopologien (Organisationssicht) und Trigger-Mechanismen (Steuerungssicht) betrachtet. Der Zweck des DV-Konzepts ist eine Anpassung des Fachkonzepts an allgemeine Schnittstellen der Informationstechnik, sodass Gestaltungsalternativen und Umsetzungsfreiheitsgrade des DV-Konzepts keinen Einfluss auf die fachliche Modellierung besitzen.

  • Implementierung: Auf dieser Ebene wird das DV-Konzept in ein ausführbares Softwaresystem umgesetzt. Auf dieser Abstraktionsstufe werden Datenbeschreibungssprachen (Datensicht), Programme (Funktionssicht), Netzwerkprotokolle (Organisationssicht) und die Programmsteuerung (Steuerungssicht) betrachtet.

Wirkung der ARIS und empirische Befunde

Für die Nutzung der ARIS werden am Markt leistungsfähige und ausgereifte Software-Werkzeuge angeboten. Zu den bekanntesten und weitverbreitetsten Produkten zählt hierbei die Software-Produkte der Software AG, zu denen neben den Kernmodulen ARIS Business Architekt und ARIS Designer eine Vielzahl weiterer Software-Komponenten zur Cloud-basierten Zusammenarbeit, zur Strategieentwicklung und zum Performance-Management gehören. Daneben existiert eine Reihe anderer Werkzeuge, die wesentliche Konzepte der ARIS softwaretechnisch unterstützen.

Untersuchungen zur Verbreitung und Nutzung von Modellierungsansätzen in der Praxis zeigen, dass die ARIS bzw. die ARIS-Plattform eines der am meisten verbreiteten Konzepte und benutzten Werkzeuge im Prozessmanagement ist [Fettke 2008, 2009, 2010].

Literatur

Fettke, Peter: Empirisches Business Engineering – Grundlegung und ausgewählte Ergebnisse. Universität des Saarlandes, Habilitationsschrift. Saarbrücken 2008.

Fettke, Peter: Ansätze der Informationsmodellierung und ihre betriebswirtschaftliche Bedeutung: Eine Untersuchung der Modellierungspraxis in Deutschland. In: Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung (2009), Nr. 8, S. 550-580.

Fettke, Peter: How Conceptual Modeling Is Used? In: Communications of the Association for Information Systems (CAIS), Vol. 25, 2009, Artikel 43, S. 571-592.

Scheer, August-Wilhelm: ARIS – Modellierungsmethoden, Metamodelle, Anwendungen. 4. Aufl., Springer: Berlin et al. 2001.

Scheer, August-Wilhelm: ARIS – Vom Geschäftsprozeß zum Anwendungssystem. 4. Aufl., Springer: Berlin et al. 2002.

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