Bibtex

@InCollection{,
  Year    = "2019", 
  Title    = "Informationsethik", 
  Author    = "Bendel, Prof. Dr. Oliver", 
  Booktitle    = "Gronau, Norbert ; Becker, Jörg ; Kliewer, Natalia ; Leimeister, Jan Marco ; Overhage, Sven (Herausgeber): Enzyklopädie der Wirtschaftsinformatik – Online-Lexikon",
  Publisher    = "Berlin : GITO",
  Url    = "https://wi-lex.de/index.php/lexikon/informations-daten-und-wissensmanagement/grundlagen-der-informationsversorgung/informationsethik/", 
  Note    = "[Online; Stand 26. April 2024]",
}

Informationsethik

Oliver Bendel


Die Informationsethik, zu der man Computer-, Netz- und Neue-Medien-Ethik zählen kann, hat die Moral (in) der Informationsgesellschaft zum Gegenstand. Sie untersucht, wie wir uns, Informations- und Kommunikationstechnologien und neue Medien anbietend und nutzend, in moralischer Hinsicht verhalten respektive verhalten sollen.

Begriff

Zur philosophischen Disziplin der Informationsethik kann man Computer-, Netz- und Neue-Medien-Ethik (eine Form der Medienethik) zählen. Der Begriff der Information hat in dem Kompositum eine ähnliche Bedeutung wie in “Informationsgesellschaft” oder “Informationsmanagement”. Es geht nicht nur um die Information, sondern auch um Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) und Informationssysteme (IS). Im angloamerikanischen Raum spricht man von “information ethics” oder von “information and computer ethics”.

Ziele und Merkmale

Die Informationsethik hat die Moral derjenigen zum Gegenstand, die IKT und IS und neue Medien anbieten und nutzen. Sie interessiert sich dafür, wie sich diese Personen, Gruppen und Organisationen in moralischer bzw. sittlicher Hinsicht verhalten (empirische oder deskriptive Informationsethik) und verhalten sollen (normative Informationsethik). Von Belang sind auch diejenigen, die keine Technologien und Medien anbieten und nutzen, aber an deren Produktion beteiligt oder von deren Auswirkungen betroffen sind.

Informationsethik hat demnach die Moral (in) der Informationsgesellschaft zum Gegenstand und untersucht, wie sich deren Mitglieder in moralischer Hinsicht verhalten bzw. verhalten sollen; ebenso betrachtet sie unter sittlichen Gesichtspunkten das Verhältnis der Informationsgesellschaft zu sich selbst, auch zu nicht technikaffinen Mitgliedern, und zu wenig computerisierten Kulturen. In der Metainformationsethik werden moralische Aussagen analysiert, etwa ausgehend von darin enthaltenen informationstechnischen Begriffen, und Ansätze der Informationsethik verortet und verglichen. Die Technik- oder Technologiefolgenabschätzung ist für Analyse und Bewertung der Wirkungen und Folgen einer Technik bzw. Technologie zuständig und ein wichtiges Instrument bei der Beratung der Politik. In moralischen Fragen der Informationsgesellschaft trifft sie sich mit der Informationsethik.

Wichtige Problembereiche der Informationsethik sind die Risiken von Anonymität und Identifizierbarkeit im Netz, der Verlust der Privatheit durch soziale Medien und Überwachungssysteme, die Gefahren durch Automatismen und technische Manipulationen, die Auswirkungen der digitalen Piraterie, die Zunahme von Cybermobbing und -stalking, die Omnipräsenz von IKT und IS sowie die Abhängigkeit von IT-Unternehmen und IT, wichtige Forderungen die informationelle Autonomie, die das Recht auf Vergessenwerden umfasst, und die Überwindung des digitalen Grabens. Compliance-Management-Systeme und moralische Kodizes (wie die “ethischen Leitlinien” der Gesellschaft für Informatik) sind Ansätze zur Verhinderung und Regelung von moralischen Konflikten.

Stellung

Die Informationsethik gehört zur angewandten Ethik und zu den Bereichs- oder Spezialethiken. Beispiele neben der Informationsethik sind Medizinethik, Technikethik, Medienethik, Wissenschaftsethik, Wirtschaftsethik, Politikethik und Rechtsethik. Alle Bereichsethiken müssen sich mit der Informationsethik ins Benehmen setzen. Vor allem Technik- und Wirtschaftsethik sind in den letzten Jahren nahe an diese herangerückt. Die Maschinenethik, die sich mit den Entscheidungen von (teil-)autonomen Systemen in moralischen Kontexten beschäftigt, kann Informations- und Technikethik zugeordnet oder als eigenständiges Gebiet neben der Menschenethik begriffen werden.

Die Informationsethik ist nicht, wie Informatik und Gesellschaft, ein Teilgebiet der Informatik, und auch nicht der Wirtschaftsinformatik. Die Technikfolgenabschätzung ist gleichfalls an einem anderen Ort, nämlich aus Technikphilosophie und -soziologie heraus entstanden. Man kann Informationsethik und Technikfolgenabschätzung aber innerhalb der Wirtschaftsinformatik betreiben, etwa in dem Sinne, dass man sie in die Lehre integriert oder interdisziplinäre Teams und Gruppen aufbaut. Dafür gibt es im deutschsprachigen Raum auch diverse Beispiele.


Literatur

Bendel, Oliver: Die Medizinethik in der Informationsgesellschaft: Überlegungen zur Stellung der Informationsethik: In: Informatik-Spektrum, November 2012 (“Online-First”-Artikel auf SpringerLink).

Bendel, Oliver: 400 Keywords Informationsethik: Grundwissen aus Computer-, Netz- und Neue-Medien-Ethik sowie Maschinenethik. 2. Aufl. Springer Gabler : Wiesbaden 2019.

Bendel, Oliver: Informationsethik im Unternehmen. In: Netzwoche, 4 (2012), S. 25 – 26.

Anderson, Michael; Anderson, Susan Leigh (Hrsg.): Machine Ethics. Cambridge University Press : Cambridge 2011.

Kuhlen, Rainer: Informationsethik: Umgang mit Wissen und Informationen in elektronischen Räumen. UVK : Konstanz 2004.

Pieper, Annemarie: Einführung in die Ethik. 6., überarb. u. akt. Auflage. A. Francke Verlag : Tübingen und Basel 2007.

Fuchs, Christian: Digital Ethics: Media, Communication and Society. Routledge : London und New York 2022

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