Bibtex

@InCollection{,
  Year    = "2019", 
  Title    = "V-Modell XT", 
  Author    = "Kuhrmann, Prof. Dr. Marco", 
  Booktitle    = "Gronau, Norbert ; Becker, Jörg ; Kliewer, Natalia ; Leimeister, Jan Marco ; Overhage, Sven (Herausgeber): Enzyklopädie der Wirtschaftsinformatik – Online-Lexikon",
  Publisher    = "Berlin : GITO",
  Url    = "https://wi-lex.de/index.php/lexikon/entwicklung-und-management-von-informationssystemen/systementwicklung/vorgehensmodell/v-modell-xt/", 
  Note    = "[Online; Stand 26. April 2024]",
}

V-Modell XT

Marco Kuhrmann


Das V-Modell XT ist ein Vorgehensmodell zum Entwickeln von IT-Systemen. Es deckt im Wesentlichen die Disziplinen Projektmanagement, Qualitätssicherung, Ausschreibung und Vergabe sowie die Systementwicklung ab. Es ist durch den öffentlichen Auftraggeber verpflichtend im Rahmen von Ausschreibungen anzuwenden und besitzt somit auch für die Wirtschaft eine hohe Relevanz.

Grundlagen

Das V-Modell XT ist das Standardvorgehensmodell für IT-Entwicklungsprojekte der Bundesrepublik Deutschland [BVA 2006]. Es ist der Nachfolger des V-Modells 97 und deckt eine große Bandbreite verschiedener Projekttypen, sowie grundlegende Disziplinen wie z.B. Projektmanagement, Qualitätssicherung, Konfigurationsmanagement oder Ausschreibung und Vergabe ab. Das V-Modell XT beschreibt auch die Interaktion zwischen einzelnen Projekten und Vertragsparteien [Friedrich, Hammerschall, Kuhrmann, Sihling 2009, S. 125 f.]. In Auftrag gegeben vom Bundesministerium des Innern sowie dem IT-Amt der Bundeswehr, wurde das V-Modell XT 2005 veröffentlicht und befindet sich seitdem in der kontinuierlichen Pflege und Weiterentwicklung.

Grundlegende Säulen

Das V-Modell XT baut auf drei grundlegenden Säulen auf: Dem Metamodell, den freien Inhalten und den Werkzeugen.

Das Metamodell [Ternité, Kuhrmann 2009] stellt die Grundlage des V-Modell XT dar. Es definiert seine grundlegenden Strukturen, indem es die möglichen Entitäten (z.B. Rollen, Produkte) und die Beziehungen zwischen diesen Entitäten (z.B. eine Rolle verantwortet ein Produkt) beschreibt. Das  Metamodell beschreibt aber nicht nur die Strukturen, die für die Erstellung von Inhalten gültig sind, sondern gleichzeitig, wie organisations- und projektspezifische Anpassungen erfolgen müssen.

Das V-Modell XT ist grundlegend so aufgebaut, dass es einen verpflichtenden Teil, das sog. Referenzmodell, gibt und weitere optionale, organisationsspezifische Anteile. Die Inhalte des V-Modell XT, also Prozess-, Produkt- oder Aktivitätsbeschreibungen, sind unter der Apache License frei verfügbar. Somit können die Inhalte von jedem bezogen und beliebig verwendet und ggf. angepasst werden.

Die Anpassung [Kuhrmann, Ternité, Friedrich 2011] der Standardinhalte des V-Modell XT kann auf zwei Arten erfolgen: Auf der Ebene von Organisationen können Inhalte im Rahmen eines Prozesseinführungs- oder Verbesserungsprozesses direkt angepasst werden. Auf der Ebene von einzelnen Projekten kann das Volumen des projektspezifischen Anteils des V-Modell XT angepasst werden. Diese Anpassungen werden bereits durch die Referenzwerkzeuge unterstützt. Der V-Modell XT Editor dient dabei der organisationsspezifischen Anpassung; der V-Modell XT Projektassistent unterstützt die projektspezifische Anpassung – das sog. Tailoring. Aufgrund seiner vollständigen Basierung auf einem formalen Metamodell und einer Implementierung mit XML-Technologien, stehen vielfältige Schnittstellen zu weiteren Werkzeugen bereit, die von verschiedenen Werkzeugherstellern auch passend implementiert werden.

Basiskonzepte

Weiterhin enthält das V-Modell XT einige Basiskonzepte, die es von anderen Vorgehensmodellen unterscheiden: Produktorientierung, Tailoring und Auftraggeber-/Auftragnehmerschnittstelle.

Das V-Modell XT ist ein sog. produktorientiertes Vorgehensmodell. Produktorientierung meint im V-Modell XT im Speziellen, dass nicht der Vorgang der Produkterstellung, dafür aber das Ergebnis detailliert beschrieben wird. So wird von konkreten Vorgehensweisen abstrahiert. Solange ein Produkt (z.B. ein Dokument oder Code) den gestellten Qualitätsforderungen genügt, ist die Art und Weise wie es erstellt wurde, nebensächlich. Das V-Modell XT verwendet einheitlich den Begriff Produkt für alle Projektergebnisse (auch Zwischenergebnisse), sodass unter einem Produkt Dokumente genauso verstanden werden, wie z.B. Modelle oder Quellcode. Die Produkte werden zu Meilensteinen, sog. Entscheidungspunkten, vorgelegt und qualitativ beurteilt. Das V-Modell XT legt über Projektdurchführungsstrategien Reihenfolgen von Entscheidungspunkten fest, sodass hiermit auch Fertigstellungsreihenfolgen für Projektergebnisse, durch die Zuordnung zu Entscheidungspunkten, definiert werden.

Weiterhin ist durch die Produktzentrierung des V-Modell XT eine nachvollziehbare, an Projektergebnissen orientierte Qualitätssicherung möglich. Anforderungen an Produkte sind qualitativ und quantitativ sehr gut beschreibbar und somit präzise prüfbar. Das V-Modell XT verknüpft an vielen Stellen Produkte mit qualitätssichernden Maßnahmen, z.B. dem 4-Augen-Prinzip für die Erstellung von Software und deren eigenständiger Prüfung. Für alle Produkte, die zu einem Entscheidungspunkt vorgelegt werden müssen, um eine Entscheidungsgrundlage für den Projektfortschritt zu bilden, verlangt das V-Modell XT sogar mindestens eine Aussage zur Qualitätssicherung.

Welche Produkte in einem Projekt genau zu erstellen sind und welche Entscheidungspunkte in welcher Reihenfolge zu durchlaufen sind, wird im Rahmen der projektspezifischen Anpassung, dem Tailoring, bestimmt. Tailoring im V-Modell XT reduziert das Volumen des V-Modells auf solche Prozessanteile, die in einem bestimmten Projektkontext erforderlich sind. So unterscheiden sich z.B. Projekte, in denen ein Softwaresystem erstellt wird von solchen Projekten, in denen ein System “nur” beschafft wird. Im ersten Fall spricht das V-Modell XT von einem Auftragnehmerprojekt, im letzteren von einem Auftraggeberprojekt. Anhand erschiedener sog. Projektmerkmale wird zu Beginn eines Projekts der Kontext genau bestimmt. Das Ermitteln aller relevanten Teile des V-Modell XT erfolgt werkzeugunterstützt durch den Projektassistenten (Abbildung 1).

Projektassistent 1.3

Abb. 1: Der V-Modell XT Projektassistent unterstützt die Anpassung an ein Projekt

Das V-Modell XT ist offen für beliebige Prozessdefinitionen. In der standardmäßigen Ausgestaltung unterstützt es vier verschiedene Typen von Projekten:

  • Auftraggeberprojekte: Ein Auftraggeber vergibt einen Entwicklungsauftrag an einen oder mehrere Auftragnehmer.

  • Auftragnehmerprojekte: Ein Auftragnehmer entwickelt im Auftrag eines Kunden ein System. Er kann hierzu auch Unterbeauftragungen durchführen.

  • Auftraggeber-/Auftragnehmerprojekte: Ein Projekt wird ohne explizites Vertragsverhältnis durchgeführt, z.B. zwischen einer Fach- und einer Entwicklungsabteilung in einer Behörde/einem Unternehmen.

  • Einführung und Pflege eines organisationsspezifischen Vorgehensmodells: In diesem Projekttyp werden Prozessanpassungs-, Einführungs- sowie Pflege- und Verbesserungsprojekte für beliebige Vorgehensmodelle adressiert.

Als weitere Besonderheit unterstützt das V-Modell XT die abgestimmte Projektinteraktion, z.B. im Rahmen eines Vertragsverhältnisses zwischen Auftraggeber und Auftragnehmern. Zum Einsatz kommt hierzu die sog. Auftraggeber-/Auftragnehmerschnittstelle (Abbildung 2).

AGAN-Schnittstelle

Abb. 2: Die AG/AN-Schnittstelle kann zwei oder mehr Projekte synchronisieren

Diese Schnittstelle setzt sich aus einer überschaubaren Anzahl von Produkten und Entscheidungspunkten zusammen. Das V-Modell XT regelt die grundsätzliche Abfolge der Entscheidungspunkte (durch sog. Projektdurchführungsstrategien) und somit auch die Reihenfolge der Fertigstellung von Produkten. Bestimmte Produkte werden aber außerhalb des eigenen Projekts erstellt, z.B. eine Lieferung, die von einem Auftragnehmer an einen Auftraggeber geliefert wird. Das V-Modell XT spricht dann von Externen Produkten. Die Fertigstellung und Übergabe solcher Produkte an den jeweiligen Projekt- bzw. Vertragspartner legt einen Kommunikationspfad fest. In der Auftraggeber-/Auftragnehmerschnittstelle werden solche Produkte und Entscheidungspunkte zusammengefasst. Es wird damit festgelegt, welcher Projektpartner welches Produkt zu welchem Entscheidungspunkt fertig stellen muss und an wen es zu übergeben ist.

Anpassung und Flexibilität

Das V-Modell XT ist aufgrund seiner Breite in der Standardversion sehr generisch gehalten. Eine unmittelbare Anwendung des V-Modell XT ist daher nur bedingt und für Standardszenarien möglich. Um trotzdem eine spezifische Anwendbarkeit zu erreichen, ist neben der projektspezifischen Anpassung eine Methode im V-Modell XT integriert, welche die organisationsspezifische Anpassung unterstützt. Die Anpassungsmethode ist direkt im Vorgehensmodell hinterlegt und durch die Werkzeuge weitgehend unterstützt. Organisationen im Allgemeinen können auf der Basis des standardisierten Referenzmodells individuelle Erweiterungsmodelle definieren. Diese können einmal neue, zusätzliche Inhalte enthalten, individuelle Vorlagen (z.B. für Dokumente) definieren oder Inhalte des Referenzmodells strukturell und inhaltlich ändern. Die Erweiterungen werden separiert vom Referenzmodell gepflegt. Die weitergehenden Werkzeuge, z.B. der Projektassistent, können die Anpassungen unmittelbar verarbeiten. Durch dieses Anpassungskonzept steht eine einheitliche Basis für das V-Modell XT zur Verfügung, auf der verschiedene Varianten aufgebaut werden können, wie z.B. das V-Modell XT Bund, das V-Modell XT der Bundeswehr, die Variante des Landes Bayern oder das V-Modell von Witt Weiden [Bösl, Ebell, Kuhrmann, Rausch 2009, S. 31-37].


Literatur

Bösl, Alexander ; Ebell, Jan ; Kuhrmann, Marco ; Rausch, Andreas:  Der Einsatz des V-Modell XT bei Witt Weiden : Nutzen und Kosten. In: Objektspektrum (2009), Nr. 1, S. 31-37. http://www.sigs-datacom.de/fileadmin/user_upload/zeitschriften/os/2009/01/boesl_ebell_OS_01_09.pdf (Abruf 28.5.2015).

Bundesverwaltungsamt (BVA): Das V-Modell XT Webportal. http://www.v-modell-xt.de (Abruf 1.1.2009).

Friedrich, Jan ; Hammerschall, Ulrike ; Kuhrmann, Marco ; Sihling, Marc: Das V-Modell XT. Berlin : Springer (Informatik im Fokus), 2. Auflage, 2009.

Kuhrmann, Marco ; Ternité, Thomas ; Friedrich, Jan: Das V-Modell XT anpassen. Berlin : Springer (Informatik im Fokus), 2011.

Ternité, Thomas ; Kuhrmann, Marco: Das V-Modell XT 1.3 Metamodell. Technischer Bericht der Technischen Universität München: 2009.

Hier weiterverbreiten

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert