Bibtex

@InCollection{,
  Year    = "2019", 
  Title    = "Reifegradmodelle", 
  Author    = "Jacobs, Prof. Dr. Stephan", 
  Booktitle    = "Gronau, Norbert ; Becker, Jörg ; Kliewer, Natalia ; Leimeister, Jan Marco ; Overhage, Sven (Herausgeber): Enzyklopädie der Wirtschaftsinformatik – Online-Lexikon",
  Publisher    = "Berlin : GITO",
  Url    = "https://wi-lex.de/index.php/lexikon/entwicklung-und-management-von-informationssystemen/systementwicklung/reifegradmodelle/", 
  Note    = "[Online; Stand 29. March 2024]",
}

Reifegradmodelle

Stephan Jacobs


Mit Hilfe von Reifegradmodellen wird die Arbeitsweise von Unternehmen oder Projekten vor allem bei der Entwicklung von Software und Systemen bewertet. Die Modelle bieten dabei eine Unterteilung in unterschiedliche Reifegrade. Die Reifegrade werden als Benchmark für die Reife eines Unternehmens verwendet. Die bekanntesten Reifegradmodelle sind CMMI (Capability Maturity Model Integration) und SPICE (Software Process Improvement and Capability Determination).

Softwareprozesse

Die Bedeutung von Prozessen bei der Softwareentwicklung ist Ende der achtziger Jahre allgemein erkannt und publiziert worden [Humphrey 1989]. In der Folge entstanden eine Reihe prozessorientierter Ansätze zur Entwicklung von Software, die vordefinierte Prozesse zur Verfügung stellen (Rational Unified Process (RUP), V-Modell XT, ITIL, …). Das Management von Softwareprozessen wird heute dem konstruktiven Software-Qualitätsmanagement zugerechnet.

Daneben wurden Modelle entwickelt, um zu messen, wie gut Prozesse definiert sind und wie konsistent sie im Unternehmen umgesetzt werden. Mit Hilfe dieser Modelle wird die Qualität eines Prozesses gemessen und einem vordefinierten Reifegrad zugeordnet. Dabei bedeutet ein höherer Reifegrad, dass ein Prozess besser implementiert ist. Besser kann hier je nach Modell und je nach Reifegrad etwas Unterschiedliches bedeuten:

  • Es gibt einen dokumentierten Prozess, der wie dokumentiert umgesetzt wird.

  • Der Prozess wird nicht nur von einzelnen Projekten sondern von der gesamten Organisation benutzt.

  • Der Prozess ist messbar, es liegen Kennzahlen zur Steuerung des Prozesses vor.

Reifegradmodelle

Die bekanntesten Reifegradmodelle im Bereich der Softwareentwicklung sind CMMI und SPICE. Daneben gibt es weitere Reifegradmodelle in anderen Domänen, wie etwa im Projektmanagement oder im Geschäftsprozessmanagement. Der Aufbau der Reifegradmodelle ist jeweils ähnlich: Es werden prinzipielle Anforderungen an Prozesse definiert. Diese Anforderungen werden auf unterschiedlichen Reifegraden platziert. Je nachdem welche Anforderungen erfüllt werden, wird ein bestimmter Reifegrad, eine Note, vergeben. Zusätzlich werden bestimmte Prozesse definiert, die ein Unternehmen implementieren muss. Beispielsweise wird sowohl bei CMMI als auch bei Automotive SPICE ein Prozess Projektmanagement vorausgesetzt. Ein Unternehmen kann sich durch eine offizielle Überprüfung (Assessment) zertifizieren lassen und den erworbenen Reifegrad als Werbemittel einsetzen.

Aus der Innensicht eines Unternehmens, das seine eigenen Prozesse mit Hilfe eines Reifegradmodells analysiert, ergeben sich folgende Vorteile.

  • Es wird ein vordefinierter, in sich konsistenter, von anderen erprobter Rahmen verwendet.

  • Es können die eigenen Stärken und Schwächen anhand des Rahmens abgeleitet werden.

  • Es werden Maßnahmen zur Verbesserung definiert.

  • Eine Auswahl vordefinierter Prozesse dient als Benchmark.

  • Reifegrade können als Dokumentation der Qualität eines Unternehmens eingesetzt werden.

Aus der Außensicht auf ein Unternehmen, z.B. aus der Sicht eines möglichen Auftraggebers ergeben sich andere Vorteile.

  • Verschiedene Unternehmen werden vergleichbar.

  • Die für den Auftraggeber wichtigen Prozesse können überprüft werden.

  • Dem Unternehmen können Vorgaben über Mindeststandards hinsichtlich der Prozesse gemacht werden.

Kritik

Reifegradmodelle setzen eine Dokumentation der Prozesse voraus. Dies führt häufig zu Bürokratie. Die Einhaltung von Prozessen wird ggf. wichtiger als die Entwicklung der Software. Die Anwendung von Reifegradmodellen und die damit verbundene Einführung von Prozessmanagement sind teuer. Die Dokumentation der Prozesse und die Durchführung von Assessments sind aufwändig. Nur große Unternehmen können Mitarbeiter freistellen, die sich auf diese Arbeit konzentrieren. Unternehmen sind häufiger an der Werbewirkung eines Reifegrads interessiert und weniger an Verbesserungen. Daher werden Schwachstellen vielfach vertuscht, statt nach einer Lösung zu suchen. Auf diese Kritik berufen sich insbesondere die Verfechter der agilen Softwareentwicklung.


Literatur

Humphrey, Watts: Managing the Software Process. 1.Auflage. Addison Wesley : 1989.

Software Engineering Institute, Capability Maturity Model Integration (CMMI): http://www.sei.cmu.edu/cmmi/ (Abruf 23.8.2013).

Wallmüller, Ernest: SPI: Software Process Improvement mit CMMI, PSP/TSP und ISO 15504. 1.Auflage. München Hanser, 2007.

Hier weiterverbreiten

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert