Die empirische Forschung hat in der angloamerikanischen Schwesterdisziplin “(Business) Information Systems” eine lange Tradition. In Deutschland setzt sie sich zunehmend und vor allem als Ergänzung zu konstruktionsorientierten Ansätzen durch.
Begriff und epistemologische Einordnung
Die empirische Forschung basiert auf dem Grundsatz, dass Erkenntnis auf Sinneswahrnehmungen beruht und Wissen aus Erfahrung entsteht. Sie steht damit z. B. dem Rationalismus gegenüber, der postuliert, dass Erkenntnis auf intellektueller Verarbeitung beruht.
Hinsichtlich des Forschungsparadigmas liegen dem empirischen Erkenntnisgewinn meist Positionen des Positivismus zu Grunde. Dieser geht von der Existenz einer realen Welt unabhängig von der menschlichen Wahrnehmung, von Denkprozessen und Sprache aus und postuliert, dass eine objektive Erkenntnis dieser Welt möglich ist.
Empirische Methoden
Empirische Methoden sorgen dafür, dass Ergebnisse der Forschung intersubjektiv nachvollziehbar sind, d. h. dass jeder Wissenschaftler mit der Anwendung derselben Methode das gleiche Ergebnis erhält. Sie bestehen, neben der eigentlichen Durchführung der Untersuchung, aus vier Phasen:
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Formulierung des Untersuchungsziels: Das Ziel explorativer Studien ist es, zu (vor-)theoretischen Erkenntnissen in bislang wenig erforschten Bereichen zu gelangen. Deskriptive Studien richten sich darauf, Phänomene mithilfe z. B. statistischer Kennzahlen systematisch zu beschreiben. Kausalstudien prüfen Ursache-Wirkungsbeziehungen aus Theorien und daraus aufgestellten Hypothesen (theoretischer Empirismus), und Evaluationsstudien schätzen die Wirkung einer Maßnahme ab.
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Entwurf des empirischen Designs: Zum empirischen Design gehört die Bestimmung der Erhebungsmethode (z. B. (Web-)Befragung, Experiment), die Auswahl der (repräsentativen) Stichprobe sowie die Konstruktion von Erhebungsinstrumenten, wie z. B. des Fragebogens, unter Berücksichtigung ihrer Validität und Reliabilität.
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Auswertung der Daten: Die Methoden zur Auswertung der erhobenen Daten, z. B. statistische und multivariate Verfahren, stammen aus dem empirischen Design. Der eigentlichen Auswertung ist eine Aufbereitung des Datenmaterials vorgeschaltet, eine Darstellung der Ergebnisse, z. B. in Grafiken, schließt sich an.
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Interpretation der Ergebnisse: Hier werden die Fragen aus dem Untersuchungsziel beantwortet und dabei z. B. Einzelergebnisse verallgemeinert oder in Zusammenhang miteinander gestellt. Bei der Prüfung von theoriegeleiteten Hypothesen besteht eine weitere Aufgabe z. B. darin, den Bezug zu bestehenden Theorien herzustellen.
Im gesamten Ablauf unterscheiden sich Methoden der quantitativen von denjenigen der qualitativen empirischen Forschung. Erstere erheben nummerische Werte einer großen Stichprobe und werten diese aus, z. B. mit statistischen Methoden, um damit bestehende Hypothesen zu belegen. Letztere legen den Schwerpunkt auf die individuelle, subjektive und detaillierte Befragung einer kleinen und bewusst gewählten Gruppe, um z. B. neue und innovative Forschungsansätze erstmalig zu erschließen.
Empirische Forschung in der Wirtschaftsinformatik
Die Forschung zu Themen der Wirtschaftsinformatik im englischen Sprachraum ((Business) Information Systems Research) weist eine lange Tradition theoretisch-empiristischer Ansätze auf. Kritiker führen an, dass die streng nach dem Prinzip wissenschaftlicher Qualität angelegten empirischen Studien häufig nur kleine Ausschnitte eines interessierenden Phänomens beschreiben sowie (finanziell) aufwändig und praktisch kaum verwertbar sind („Rigour versus Relevance“).
Die deutsche Forschung in der Wirtschaftsinformatik dagegen konzentrierte sich lange fast ausschließlich auf eher konstruktionsorientierte Ansätze. Vertreter empirischer Methoden weisen darauf hin, dass eine derartige Forschung zu nah an der Praxis, mit zu wenig Theorie und Evaluation statt findet.
In einer Kombination konstruktionsorientierter mit empirischen Methoden dienen empirische Studien, neben den typischen Kausalanalysen, z. B. dazu, explorativ die Auswirkungen von Anwendungssystemen vor ihrer Implementierung abzuschätzen. Qualitative Untersuchungen, wie z. B. Fallstudien, können Informationssysteme beschreiben und ihre Gestaltung empirisch begleiten. Für einen realisierten Prototyp lässt sich mit deskriptiven empirischen Ansätzen z. B. ihre Akzeptanz erheben.
Literatur
Albers, Sönke u.a. (Hrsg.): Methodik der empirischen Forschung. 3. Auflage. Wiesbaden: Gabler, 2009.
Atteslander, Peter, 2010: Methoden der empirischen Sozialforschung. 13. Auflage. Berlin: Erich Schmidt,2010.
Frank, Ulrich: Erfahrung, Erkenntnis und Wirklichkeitsgestaltung – Anmerkungen zur Rolle der Empirie in der Wirtschaftsinformatik. Berlin : In: Grün, O.; Heinrich, L.J. (Hrsg.): Wirtschaftsinformatik – Ergebnisse empirischer Forschung. Berlin, Heidelberg: Springer,1997, S. 21-35.
Frank, Ulrich: Herausforderungen der Wirtschaftsinformatik in Zeiten des Wandels. In: Myrach, Thomas; Jung, Reinhard (Hrsg.): Quo vadis Wirtschaftsinformatik – Festschrift für Prof. Gerhard F. Knolmayer zum 60. Geburtstag.Wiesbaden : Gabler, 2008,S. 37-56.
Lienert, Gustav A.; Raatz, Ulrich: Testaufbau und Testanalyse. 6. Auflage. Weinheim: BeltzPVU, 1998.
Niehaves, Björn; Becker, Jörg: Epistemological Perspectives on Design Science in Information Systems Research. Acapulco, Mexico: In: Proceedings of the 12th Americas Conference on Information Systems (AMCIS 2006), 2006.
Wilde, T.; Hess, T.: Forschungsmethoden der Wirtschaftsinformatik. Eine empirische Untersuchung. In:Wirtschaftsinformatik (49) 4, 2007, S. 280-287.