Kernaufgabe der strategischen Produktionsprogrammplanung ist es, durch die langfristige Wahl der Märkte, Produktfelder und Produktionskonzepten die langfristigen Erfolgspotentiale eines Unternehmens festzulegen. Die zeitliche und inhaltliche Konkretisierung erfolgt im Rahmen der untergeordneten taktischen und operativen Planung.
Die Produktionsprogrammplanung wird sinnvoller Weise in ein hierarchisches, rückgekoppeltes Planungskonzept mit der strategischen Planung als oberster Planungsebene, der taktischen sowie der operativen als nachfolgende Stufen eingebettet [Adam 1996, S. 374 ff, Kistner, Witalski 1989, S. 478 ff]. Die Planungsergebnisse einer Planungsebene sind Vorgaben der nachfolgenden Ebene, die diese konkretisiert.
In den übergeordneten Planungsebenen wird versucht, die langfristigen, dynamischen Wirkungen von Programmentscheidungen zu erfassen, während die operative Planung nur eine Periode (statischer Ansatz) umfasst. Durch die stufenweise Planung und die unterschiedlichen zeitlichen Reichweiten der Planungsebenen werden die Interdependenzen zwischen den Ebenen nicht vollständig erfasst, weshalb eine Rückkopplung sinnvoll ist [Corsten, Gössinger 2016, S. 26 ff]. Treten in der operativen Planung wesentliche Abweichungen zwischen Soll und Ist auf, ist das Anlass, die taktische Programmplanung auf Stimmigkeit zu hinterfragen. Entsprechendes gilt für die taktische und strategische Planung.
Das Entscheidungsfeld der strategischen Planung ist offen [Adam 1996, S. 16 ff]; die künftigen Handlungsalternativen (Märkte, Produkte, Produktionsverfahren, Kapazitäten) sind nur zum Teil bekannt. Zudem sind die verfügbaren Informationen sehr unsicher. Die operative Planung geht von einem geschlossenen Entscheidungsfeld mit sicheren Daten aus.
Die strategische Planung dient der Festlegung der zukünftigen Erfolgspotentiale; sie muss dazu vier Grundfragen beantworten:
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Welche Perspektive besitzen die aktuellen Produkte im Sinne langfristiger Markt- und Wettbewerbsbedingungen sowie des Produktlebenszyklus [Corsten, Gössinger 2016, S. 28]?
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Welche Erfolg versprechenden Produkt- oder Anwendungsideen sind neu zu entwickeln (Forschung & Entwicklung) [Adam 1998, S. 158 ff, Brockhoff 1999, S. 4 ff]? Zudem muss entschieden werden, wann Produkte aus dem Programm zu eliminieren sind.
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Welches Qualitätsniveau der Produkte ist erforderlich, um am Markt bestehen zu können (Qualitätsmanagement) [Buzzell, Gale 1989, S. 91 ff]?
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Welche der zur Produktion erforderlichen Baugruppen oder Teile sind selbst zu fertigen bzw. fremd zu beziehen?
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Welche generelle Struktur soll die Produktion haben, d. h. Fragen der Materialflussplanung und Prozessgestaltung sind zu klären [Wildemann 1998, S. 47 ff]?
Gerade durch die Wahl der Fertigungstiefe [Adam 1998, S. 197 ff, Hinterhuber, Vogel 1986, S. 58 ff] und die Strukturierung der Produktion kann auf die Komplexität der Produktion, die Auftragsabwicklungszeiten und die Produktionskosten nachhaltig Einfluss genommen werden.
Die operative Programmplanung basiert auf gegebenen Potentialen. Sie reduziert das Planungsproblem auf die Frage: Welche Mengen der Produkte des Rahmenprogramms sollen bei Gewinnmaximierung in einer Periode hergestellt werden? Diese Planung geht von weitgehend sicheren Daten (Absatzmengen, Kapazitäten, Produktionskoeffizienten, Deckungsspannen) aus.
Die langfristige Planung soll auch positiv auf den Gewinn wirken; es ist aber in der Regel unmöglich, die Gewinnwirkungen neuer Produkte oder verbesserter Qualität exakt zu quantifizieren. Die langfristigen Überlegungen zum Programm gehen daher meistens von qualitativen Ersatzzielen – wie Käuferpräferenzen oder Kundenzufriedenheit – aus. Wegen des schwachen Informationsstandes werden häufig qualitative, heuristische Verfahren (z. B. Scoring-Modelle [Adam 1996, S. 412 ff]) für die Bewertung von Produktideen eingesetzt.
In der Konstruktionsphase von Produkten, die sich an die Ideenfindung anschließt, sollte möglichst eine Risikoanalyse [Adam 1996, S. 265 ff.] auf der Basis von Ausgaben und Einnahmen erfolgen. Für die mit Unsicherheit behafteten Zahlungen sind Risikoprofile zu erzeugen, um sinnvoll zwischen alternativen Strategien wählen zu können. Diese Bewertung sollte sich auf den gesamten Lebenszyklus eines Produktes beziehen, wie z. B. beim Life-Cycle-Costing [Coenenberg 2016, S. 611 ff].
Zur langfristigen Planung gehört auch, darüber nachzudenken, wann alte Produkte aus dem Produktionsprogramm eliminiert werden [Brauckschulze 1983, S. 1 ff], da ihr Erfolgsbeitrag zu gering ist oder weil sie jungen Produkten die nötigen Ressourcen in der Fertigung wie im Management entziehen. Alte Produkte werden vielfach zu spät aus den Programmen gestrichen, da ein kleiner, aber sicherer Deckungsbeitrag mit Altprodukten einer mit starker Unsicherheit verbundenen Erfolgschance mit Neuprodukten vorgezogen wird.
Die langfristige Programmplanung muss zeitübergreifende Wirkungen erfassen. Dazu gehören z. B. Lerneffekte [Adam 2001, S. 1241 ff]. Gemäß dem Erfahrungskurvenkonzept sinken die Kosten und der Faktoreinsatz je Mengeneinheit eines Produktes mit zunehmender kumulierter Produktionsmenge. Junge Produkte haben häufig in der Anfangsphase des Lebenszyklus geringe Deckungsspannen bei gleichzeitig hohen Produktionskoeffizienten. In der operativen Programmplanung werden sie dann eliminiert, da ihre relative Deckungsspanne zu gering ist. Das führt zu einer systematischen Benachteiligung junger durch alte Produkte. Aufgabe der längerfristigen Planung ist es, dafür Sorge zu tragen, dass operative und langfristige Planung im Einklang stehen.
Literatur
Adam, D.: Produktionsmanagement. 9. Auflage, Wiesbaden : Gabler, 1998.
Adam, D.: Planung und Entscheidung. 4. Auflage, Wiesbaden : Gabler, 1996.
Adam, D.: Dynamische Programm- und Investitionsplanung bei Lerneffekten. In: ZfB 71 (2001), Nr. 11, S. 1241-1262.
Brauckschulze, U.: Die Produktelimination. Münster, 1983.
Brockhoff, K.: Forschung und Entwicklung. 5. Auflage, München : Oldenbourg, 1999.
Buzell, R. D., Gale, B. T.: Das PIMS-Programm: Strategien und Unternehmenserfolg. Wiesbaden : Gabler, 1989.
Coenenberg, A. G.: Kostenrechnung und Kostenanalyse. 9. Auflage, Stuttgart : Schäffer-Poeschel, 2016.
Corsten, H., Gössinger, R.: Produktuionswirtschaft, 14. Auflage, Berlin : De Gruyter Oldenbourg, 2016.
Hinterhuber, H. H., Vogel, A. A: Die strategische Analyse der vertikalen Integration und der Diversifikaxadtion. In: Journal für Betriebswirtschaft 1986, S. 52-75.
Kistner, K.-P., Switalski, M.: Hierarchische Produktionsplanung. In: ZfB 59 (1989), S. 477-503.
Wildemann, H.: Komplexitätsmanagement durch Prozeß- und Produktgestaltung. In: Adam, Dietrich (Hrsg.): Komplexitätsmanagement. Schriften zur Unternehmensführung Band 61, Wiesbaden : Dr. Th. Gabler Verlag, 1998, S. 47-68.