Produktionsplanungs- und -steuerungssysteme (PPS- Systeme) unterstützen das Produktionsmanagement bei der operativen Gestaltung des Produktionsprogramms und der zu dessen Realisierung erforderlichen Produktionsprozesse. Der Beitrag beschreibt Aufbau und Entwicklung von PPS-Systemen.
Grundlagen
Ein Produktionsplanungs- und -steuerungssystem (PPS-System) dient der Unterstützung des (operativen) Produktionsmanagements bei der Gestaltung des Produktionsprogramms und des Produktionsvollzugs nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Im Rahmen der Produktionsplanung und -steuerung ist insbesondere festzulegen [Kurbel 2016, S. 17-18]
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welche absatzbestimmten Produkte in welchen Mengen im Planungszeitraum herzustellen sind (Primärbedarfsplanung),
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welche Mengen an (fremdbezogenen und selbst erstellten) Einsatzgütern (Vor- bzw. Zwischenprodukten) dafür wann benötigt werden (Sekundärbedarfsplanung),
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in welchen Teilmengen (Losen) die einzelnen End-, Zwischen- und Vorprodukte produziert bzw. beschafft werden sollen (Losgrößenplanung als Teil der Sekundärbedarfsplanung),
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zu welchen Zeitpunkten die Herstellung der einzelnen (zu Fertigungsaufträgen zusammengefassten) End- und Zwischenproduktmengen unter Berücksichtigung der verfügbaren personellen und maschinellen Kapazitäten des Produktionssystems erfolgen soll (Termin- und Kapazitätsplanung),
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wann welche Fertigungsaufträge in das physische Produktionssystem eingelastet werden sollen (Auftragsfreigabe) und
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in welcher Reihenfolge die vor den einzelnen Arbeitsplätzen bzw. Produktionsanlagen wartenden (freigegebenen) Fertigungsaufträge bearbeitet werden sollen (Ablaufplanung).
Der Produktionsvollzug ist laufend zu überwachen, um bei Planabweichungen gegensteuernd eingreifen zu können (Auftragsüberwachung). Zu diesem Zweck sind sämtliche steuerungsrelevanten Daten mit Hilfe der Betriebsdatenerfassung zu erfassen.
Zur Lösung der o.g. Fragestellungen wurden im Laufe der Zeit zahlreiche Optimierungsmodelle entwickelt. Derartige Partialmodelle berücksichtigen jedoch nicht die wechselseitigen Abhängigkeiten zwischen den einzelnen Teilproblemen der Produktionsplanung und -steuerung. Um zu einem Gesamtoptimum zu gelangen, müssten die einzelnen Teilplanungsprobleme daher in einen umfassenden Modellansatz integriert und simultan gelöst werden. Solche Simultan– oder Totalmodelle führen im praktischen Einsatz jedoch bereits bei recht überschaubaren Planungsproblemen zu unbeherrschbaren Modellgrößen [Kurbel 2016, S. 36].
Vor diesem Hintergrund wurde das Konzept der hierarchischen Produktionsplanung entwickelt [Switalski 1989, Kistner, Steven 2001, S. 209-237].
Dabei wird das gesamte Planungsproblem in Teilprobleme zerlegt, die (unter Anwendung der für den jeweiligen Bereich relevanten Partialmodelle) nacheinander gelöst werden, wobei die Ergebnisse einer übergeordneten Planungsstufe den Ausgangspunkt für die Planung der darunterliegenden Stufe bilden. Der Ansatz wird daher auch als Sukzessivplanungskonzept bezeichnet [Vahrenkamp 2008, S. 110-113; Hansmann 2006, S. 246-248]. Er bildet die (theoretische) Basis für das in der Praxis weit verbreitete und den gängigen PPS-Systemen zugrundeliegende Vorgehen bei der Produktionsplanung und ‑steuerung, welches sich üblicherweise in die in Abbildung 1 dargestellten Stufen gliedert. Wie die Abbildung zeigt, nimmt der Detaillierungsgrad der Planung dabei sowohl in sachlicher (d.h. in Bezug auf die Planungsobjekte) als auch in zeitlicher Hinsicht (in Bezug auf das der Planung zugrunde gelegte Zeitraster, d.h. die Länge der Plan(ungs)- oder Teilperioden) von Stufe zu Stufe zu, während der Planungshorizont (die Länge des Planungszeitraums) kontinuierlich abnimmt. Die konkreten Ausprägungen dieser Größen können jedoch je nach Branche und konkretem Produktspektrum in der Praxis von Unternehmen zu Unternehmen sehr unterschiedlich sein; die Angaben in der Abbildung sind daher lediglich als (häufig vorkommende) Richtwerte zu verstehen [Glaser/Geiger/Rohde 1992, S. 338-339, 345, 357-358, 364-365, 368-369].
Abb. 1: Grundstruktur eines PPS-Systems [Kistner/Steven 2001, S. 259; Hansmann 2006, S. 251; Zelewski/Hohmann/Hügens 2008, S. 471]
Aufbau von PPS-Systemen
Primärbedarfsplanung
Gegenstand der Primärbedarfsplanung (Produktionsprogrammplanung) ist die Festlegung der in der Planungsperiode herzustellenden Mengen der absatzbestimmten Produkte (= Primärbedarf). Dabei kann es sich neben Endprodukten auch um verkaufsfähige Zwischenprodukte wie z.B. Ersatzteile für die Endprodukte handeln. Zur Ermittlung des Primärbedarfs ist zunächst eine Absatzplanung durchzuführen. Diese basiert auf bereits vorliegenden Kundenaufträgen und/oder Nachfrageprognosen, wobei je nach Unternehmenstyp (Lager- vs. Auftragsfertiger) die eine oder die andere Form zur Anwendung kommt bzw. dominiert. Für die Nachfrageprognose stehen verschiedene qualitative und quantitative Verfahren zur Verfügung. Qualitative Verfahren beruhen auf Einschätzungen bzw. Befragungen von Mitarbeitern (aus dem Vertrieb wie auch aus anderen Unternehmensbereichen), Kunden oder externen Experten. Sie kommen immer dann zur Anwendung, wenn nicht genügend Vergangenheitsdaten über die Nachfrage zur Verfügung stehen, um ein quantitatives Prognoseverfahren anwenden zu können (z.B. bei Neuprodukten) [Kiener et al. 2012, S. 170; Thonemann 2010, S. 32-38]. Quantitative Verfahren beruhen auf mathematisch-statistischen Methoden. Hierzu zählen neben Kausal- vor allem die Zeitreihenprognosen. Diese versuchen, durch Analyse des Nachfrageverlaufs in der Vergangenheit auf die zukünftige Nachfrage zu schließen. Tabelle 1 gibt einen Überblick über die wichtigsten Verfahren der Zeitreihenprognose in Abhängigkeit vom Nachfrageverlauf. Hinzu kommen für trendförmige und saisonale Verläufe Verfahren der Regressionsanalyse und für sporadische Verläufe sog. Bootstrapping-Verfahren.
Nachfrageverlauf | Prognoseverfahren |
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Gleichbleibend/stationär | (Gewogener oder ungewogener) gleitender Mittelwert Exponentielle Glättung 1. Ordnung |
Linearer Trend | Exponentielle Glättung 2. Ordnung (verschiedene Varianten) |
Nicht-linearer Trend | Exponentielle Glättung 2. Ordnung mit logarithmierter Trendfunktion |
Saisonal, ggf. mit linearem Trend | Phasendurchschnittsverfahren Exponentielle Glättung 3. Ordnung (Verfahren von Winters) |
Saisonal mit beliebigem Trend | Zeitreihendekomposition (Ratio-to-Moving-Average-Methode) |
Sporadisch | Verfahren von Croston (verschiedene Varianten) |
Tab. 1: Grundlegende Verfahren der Zeitreihenprognose [Tempelmeier 2003, S. 35 ff.; Schuh/Schmidt 2014, S. 70-88; Küpper/Helber 2004, S. 125-129; Lasch 2017, S. 107 ff.]
Der Absatzplan ist anschließend unter Berücksichtigung der im Unternehmen vorhandenen bzw. in der Planungsperiode beschaffbaren Produktionsfaktoren (insbesondere Personal und Betriebsmittel, aber z.B. auch beschaffungskritisches Material) in einen Produktionsplan zu überführen, der die Ressourcen nach Möglichkeit optimal ausnutzt. Zu diesem Zweck wurden insbesondere für die Vorratsfertigung Optimierungsmodelle entwickelt, denen im betriebswirtschaftlichen Schrifttum große Aufmerksamkeit geschenkt wird [Schneeweiß 2002, S. 145-179; Fandel/Fistek/Stütz 2011, S. 109-316; Zelewski/Hohmann/Hügens 2008, S. 254-310; Zäpfel 1982, S. 88-152], obwohl ihre praktische Anwendbarkeit begrenzt ist [Kiener et al. 2012, S. 202]. In der Praxis wird die Abstimmung zwischen den zur Realisierung der (potenziellen) Absatzmengen benötigten und den tatsächlich verfügbaren Ressourcen daher meist mit Hilfe einfacher heuristischer Ausgleichsmechanismen vorgenommen, die lediglich einen umsetzbaren (und möglichst guten), aber (in der Regel) keinen optimalen Produktionsplan erzeugen. Da der Ressourcenabgleich in beiden Fällen auf einem höheren Aggregationsniveau vorgenommen wird als in der sich später anschließenden (Termin- und) Kapazitätsplanung, wird dieser Teilschritt der Primärbedarfsplanung als Ressourcengrobabstimmung (oder Ressourcengrobplanung) bezeichnet [Schuh/Schmidt 2014, S. 68-69]. Für die Sekundärbedarfsplanung ist das ermittelte Produktionsprogramm abschließend auf die (kürzeren) Teilperioden (in der Regel Wochen) dieser zweiten Planungsstufe zu verteilen.
Sekundärbedarfsplanung
Im Rahmen der Sekundärbedarfsplanung (Mengenplanung, (Material-) Bedarfsplanung, Materialdisposition, Materialwirtschaft) sind die für die Herstellung des Primärbedarfs benötigten Einsatzgütermengen (= Sekundärbedarf) zu bestimmen. Hierbei ist zwischen eigengefertigten, hier als Zwischenprodukte bezeichneten und fremdbezogenen, hier unter dem Begriff Vorprodukte subsumierten Produktbestandteilen zu unterscheiden. Für erstere werden später Fertigungsaufträge und für letztere Beschaffungsaufträge generiert. In beiden Fällen kann die Bedarfsermittlung entweder verbrauchs- oder programmgesteuert erfolgen. Welches Verfahren der Bedarfsermittlung zur Anwendung kommt, hängt vom Verbrauchswert der Güter in einer Periode ab. So werden Gütern mit einem hohen Periodenverbrauchswert in der Regel programmgesteuert und solche mit einem niedrigen Verbrauchswert verbrauchsgesteuert disponiert. Zur Segmentierung des Sekundärbedarfs nach dem Verbrauchswert der Einsatzgüter kann die ABC-Analyse herangezogen werden.
Bei der programm- oder bedarfsgesteuerten Disposition wird der Bedarf an Einsatzgütern aus dem geplanten Produktionsprogramm und der Zusammensetzung der absatzbestimmten Produkte hergeleitet. Die Erzeugnisstrukturen sind dabei in Stücklisten hinterlegt. Das Kernstück der programmgesteuerten Disposition bildet die sog. Brutto-Netto-Bedarfsrechnung, im Rahmen derer ausgehend vom teilperiodenweise gegliederten (“terminierten”) Bruttoprimärbedarf durch Auflösung der Stücklisten und Berücksichtigung evtl. vorhandener Lagerbestände sukzessive die für die Befriedigung dieses Bedarfs benötigten Mengen an Vor- und Zwischenprodukten berechnet werden. Ein wesentlicher Bestandteil der Brutto-Netto-Bedarfsrechnung ist die Losgrößenplanung, im Rahmen derer die Bedarfe verschiedener Teilperioden zu sog. Losen zusammengefasst werden.
Bei der verbrauchsgesteuerten Disposition wird der Materialbedarf entweder mit Hilfe von Prognoseverfahren, wie sie auch zur Prognose des Primärbedarfs eingesetzt werden, auf Basis von Vergangenheitswerten ermittelt oder unter Anwendung der bekannten Methoden der Lagerbestandsführung aus den vorhandenen Lagerbeständen abgeleitet.
Termin- und Kapazitätsplanung
An die Sekundärbedarfsplanung schließt sich die Termin- und Kapazitätsplanung (Grobterminierung, Zeitwirtschaft) an. Sie zerfällt in die Schritte Durchlaufterminierung, Kapazitätsplanung und Kapazitätsabgleich.
Gegenstand der Durchlaufterminierung ist die grobe Festlegung vorläufiger Start- und Endtermine der einzelnen für die Herstellung von Zwischen- und Endprodukten notwendigen Arbeitsgänge auf Basis geschätzter Plan-Durchlaufzeiten, zu deren Ermittlung die Arbeits(gang)pläne der Erzeugnisse heranzuziehen sind. Vorläufig sind die Termine zum einen deshalb, weil die Planung zunächst ohne Berücksichtigung der Kapazitätssituation erfolgt. Zum anderen ergeben sich die endgültigen Bearbeitungstermine erst aus der Ablaufplanung. Diese wird aber im Konzept der hierarchischen Produktionsplanung erst nach der Termin- und Kapazitätsplanung durchgeführt.
Im Rahmen der Kapazitätsplanung wird die aus der Durchlaufterminierung resultierende Kapazitätsnachfrage dem Kapazitätsangebot gegenübergestellt. Übersteigt die Kapazitätsnachfrage das Kapazitätsangebot oder unterschreitet erstere letzteres deutlich, sind Maßnahmen des Kapazitätsabgleichs zu ergreifen.
Auftragsfreigabe
Nach Abschluss der Termin- und Kapazitätsplanung liegt ein mengenmäßig und zeitlich fixierter Grobplan für einen längeren Zeitraum (in der Regel 1-3 Monate) vor, dessen Einhaltung aufgrund des möglichen Eintritts von unvorhergesehenen Ereignissen (z.B. Ausfall von Maschinen und Arbeitskräften, fehlendes Werkzeug oder Material) jedoch nicht sichergestellt werden kann und der daher auch nicht als verbindliche Vorgabe für die Produktion dienen kann. Um auf derartige Störereignisse adäquat reagieren und diese in der weiteren Planung berücksichtigen zu können, ist der Planungshorizont auf einen überschaubaren Zeitraum von ca. 1-2 Wochen zu verkürzen. Diejenigen Fertigungsaufträge, deren in der Termin- und Kapazitätsplanung festgelegter Starttermin in diesen Planungshorizont fällt, werden dann einer sog. Verfügbarkeitsprüfung unterzogen, im Rahmen derer überprüft wird, ob alle zur Erledigung des Fertigungsauftrags benötigten Materialien, Werkzeuge und Arbeitsunterlagen (z.B. NC-Programme) vorhanden sind (statische Prüfung) oder zum tatsächlichen Bedarfszeitpunkt gemäß Termin- und Kapazitätsplanung zur Verfügung stehen werden (dynamische Prüfung). Die Einsatzbereitschaft von Betriebsmitteln und Arbeitskräften kann ebenfalls in die Prüfung einbezogen werden. Aufträge, für die Verfügbarkeitsprüfung positiv ausgefallen ist, werden zur Fertigung freigegeben und im Rahmen der sich an die Auftragsfreigabe anschließenden Ablaufplanung mit exakten Bearbeitungsterminen auf den einzelnen Bearbeitungsstationen versehen. Die Auftragsfreigabe (oder Auftragsveranlassung) bildet somit die Schnittstelle zwischen der Fertigungsplanung und der Fertigungssteuerung im Rahmen des Produktionsvollzugs.
Ablaufplanung
Im Rahmen der Ablaufplanung (Reihenfolgeplanung, Maschinenbelegungsplanung, Feinterminierung) sind für die einzelnen Arbeitsgänge der bislang nur mit groben Start- und Endterminen versehenen freigegebenen Fertigungsaufträge die genauen Bearbeitungstermine auf den einzelnen Bearbeitungsstationen des Produktionssystems so festzulegen, dass eine hohe (durchschnittliche) Kapazitätsauslastung, geringe Durchlaufzeiten der (freigegebenen) Aufträge sowie eine hohe Termintreue erreicht werden. Diese Größen kann man auf unterschiedliche Weise operationalisieren. Wählt man in Bezug auf die Durchlaufzeit die Durchlaufzeitsumme oder die mittlere Durchlaufzeit als Zielgröße, so besteht zwischen den Zielen der Durchlaufzeitminimierung und der Maximierung der Kapazitätsauslastung ein Zielkonflikt, der in der Literatur als Dilemma der Ablaufplanung bezeichnet wird. Interpretiert man das Ziel der Durchlaufzeitminimierung hingegen als Minimierung der maximalen Durchlaufzeit, besteht kein Konflikt zwischen den beiden Zielen.
Bei der Ablaufplanung sind zahlreiche verschiedene Problemstellungen zu unterscheiden [Domschke/Scholl/Voß 1997, S. 280-299], für deren Lösung eine Vielzahl von teils problemspezifischen, teils auf allgemeinen Lösungsmethoden des Operations Research basierenden Verfahren entwickelt wurde [Hoitsch 1993, S. 479 und 500; Zäpfel 2001, S. 212]. Besondere praktische Relevanz kommt dabei den sog. Prioritätsregeln zu.
Planungsgrundlage der Ablaufplanung sind wiederum die in den Arbeits(gang)plänen der Erzeugnisse hinterlegten Informationen sowie die Ergebnisse der vorgelagerten Planungsstufen (Losgrößen, geplante Start- und Fertigstellungstermine, Auftragsfreigabetermine). Hinzu kommen Daten zur Verfügbarkeit der Maschinen und Arbeitskräfte. Als Planungsergebnis erhält man die nunmehr endgültigen Bearbeitungstermine der Aufträge.
Auftragsüberwachung
Im Rahmen der Auftragsüberwachung ist der Fertigungsablauf im Hinblick auf die Planeinhaltung zu überwachen. Zu diesem Zweck sind alle relevanten Daten über den Produktionsvollzug mit Hilfe der Betriebsdatenerfassung (BDE) zu erfassen. Bei Störungen des planmäßigen Fertigungsablaufs (z.B. aufgrund von Personal-, Maschinen- oder Lieferausfällen) sind geeignete gegensteuernde Maßnahmen vorzusehen. Neben Änderungen in der Maschinenbelegungsplanung kommen hier insbesondere Maßnahmen der Kapazitätssteuerung in Betracht. Zu den Verfahren der Kapazitätssteuerung zählen neben der Rückstandsregelung als wichtigstem Verfahren die planorientierte, die terminorientierte, die leistungsmaximierende und die bestandsregelnde Kapazitätssteuerung [Lödding 2016, S. 531-600].
Entwicklungsstufen von PPS-Systemen
Es ist offensichtlich, dass Produktionsplanungs- und -steuerungsprobleme realistischer Größenordnung nur computergestützt gelöst werden können. Daher wurden bereits in den 60er-Jahren die ersten Computersysteme für diesen Anwendungsbereich entwickelt. Diese unterstützten zunächst nur die Materialbedarfsplanung (Material Requirements Planning, abgekürzt MRP); sie wurden daher auch als MRP-Systeme bezeichnet. Später wurden die MRP-Systeme dann um Funktionalitäten für die übrigen Stufen der hierarchischen Produktionsplanung erweitert und als MRP II-Systeme bezeichnet. MRP steht nun für Manufacturing Resource Planning [Kurbel 2016, S. 1 f]. Der Begriff MRP II wird allerdings in der Literatur nicht einheitlich im eben beschriebenen Sinne als Synonym für ein alle Stufen der hierarchischen Produktionsplanung und -steuerung umfassendes PPS-System verwendet. Einige Autoren bezeichnen als MRP II-Konzept die Erweiterung klassischer (hierarchischer) PPS-Systeme durch Einführung von Rückkopplungen zwischen den Stufen, die es gestatten, auf früheren Planungsstufen getroffene Entscheidungen aufgrund von Erkenntnissen, die aus später getroffenen Planungsentscheidungen resultieren, zu korrigieren [Zelewski/Hohmann/Hügens 2008, S. 480].
Die nächste Stufe in der Entwicklung betrieblicher Informationssysteme bilden Enterprise Resource Planning-Systeme oder kurz ERP-Systeme. Sie stellen eine Erweiterung der MRP II-Funktionalität um Module für an die Produktion angrenzende und diese unterstützende Bereiche wie Beschaffung/Materialwirtschaft, Vertrieb, Forschung und Entwicklung, Anlagenwirtschaft, Personalwesen, Finanz- und Rechnungswesen, Controlling usw. dar. Im Gegensatz zu MRP II-Systemen sind sie in ihrer Anwendung nicht mehr auf den industriellen Bereich begrenzt, sondern wirtschaftszweigunabhängig einsetzbar. ERP-Systeme ermöglichen somit eine funktionsbereichsübergreifende (unternehmensweite) Planung und Steuerung der Unternehmensprozesse in Unternehmen beliebiger Wirtschaftszweige [Kurbel 2016, S. 2 f]. Das wohl bekannteste ERP-System ist SAP ERP, früher SAP R/3.
PPS- und ERP-Systeme haben jedoch den Nachteil, dass sie primär die Planung der Produktionsprozesse unterstützen, weniger jedoch deren Steuerung, die notwendig wird, wenn die Pläne aufgrund unvorhergesehener Ereignisse nicht eingehalten werden können. Zur besseren Unterstützung der Fertigungssteuerung wurden daher Ende der 80er Jahre sog. elektronische Leitstände als eigenständige Ergänzungen der PPS- bzw. ERP-Systeme entwickelt, die Anfang des 21. Jahrhunderts in den sog. Manufacturing Execution Systeme (abgekürzt MES) aufgingen. Die Hauptfunktionalitäten eines MES umfassen neben einem Fertigungsleitstand die Betriebsdatenerfassung sowie eine Komponente für das Qualitätsmanagement [Kurbel 2016, S. 345-349]. MES stellen somit das Bindeglied zwischen Planung (PPS-/ERP-System) und physischem Produktionsvollzug dar. Sie ermöglichen eine detailliertere Sicht auf den Produktionsprozess als PPS-/ERP-Systeme und unterstützen so die frühzeitige Erkennung von Engpässen (z.B. Maschinenausfälle, längere Bearbeitungszeiten als geplant, Fehlteile) sowie die rechtzeitige Ergreifung von Gegensteuerungsmaßnahmen. Sie sind über eine Schnittstelle mit der übergeordneten Planungsebene (PPS/ERP) verbunden, gleichen die darüber bezogenen (Plan-) Daten mit den aus der Betriebsdatenerfassung stammenden (Ist-) Daten der untergeordneten physischen Vollzugsebene ab und melden größere -Abweichungen (z.B. deutlicher Rückstand gegenüber dem geplanten Auftragsfortschritt) an das PPS- bzw. ERP-System zurück, damit dieses auf Basis der geänderten Datenlage eine Plananpassung vornehmen kann [Thome 2007, S. 9-11].
Mit zunehmender Vernetzung der Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette (Supply Chain) wird eine rein unternehmensbezogene Planung und Steuerung heute jedoch als nicht mehr ausreichend angesehen. Die Geschäftsprozesse sollen vielmehr unternehmensübergreifend geplant und gesteuert werden. Bei den Softwaresystemen, die eine derartige unternehmensübergreifende Produktionsplanung und -steuerung im Sinne des Supply Chain Management unterstützen, sind ERP II- und APS-Systeme zu unterscheiden [Thome 2007, S. 4-8]. ERP II-Systeme beinhalten eine Erweiterung klassischer ERP-Systeme um Funktionen zur Unterstützung unternehmensübergreifender Prozesse. Der Fokus liegt dabei auf einer durchgängigen Prozessunterstützung und dem zwischenbetrieblichen Informationsaustausch durch standardisierte Komponenten und internet-basierte Schnittstellen (sog. Service-orientierte Architekturen, abgekürzt SOA). APS-Systeme hingegen kommen zusätzlich zu klassischen ERP-Systemen zum Einsatz. Im Gegensatz zu ERP II-Systemen lösen sie den Einsatz von (traditioneller) ERP-Software in den Unternehmen nicht ab, sondern integrieren die ERP-Systeme verschiedener Unternehmen entlang der Supply Chain und optimieren durch die Bereitstellung fortschrittlicher oder fortgeschrittener (“advanced”) Algorithmen die unternehmensübergreifenden Geschäftsprozesse. Daher kommt auch die Abkürzung APS, die für Advanced Planning and Scheduling steht [Kurbel 2016, S. 4]. Abgesehen vom unternehmensübergreifenden Ansatz in der zunehmenden Ablösung der in den konventionellen PPS- und ERP-Systemen dominierenden, meist sehr einfach gehaltenen Heuristiken, welche lediglich zulässige Lösungen ohne Optimalitätsanspruch zu generieren versuchen [Kistner/Steven 2001, S. 266; Hansmann 2006, S. 248], durch leistungsfähigere, optimierende Methoden des Operations Research (z.B. lineare und gemischt-ganzzahlige Programmierung, genetische Algorithmen, neuronale Netze usw.) zu sehen. Sie können daher auch losgelöst vom unternehmensübergreifenden Kontext “nur” zur Verbesserung der (Produktions-) Planung im eigenen Unternehmen eingesetzt werden [Kiener et al. 2012, S. 164; Kurbel 2016, S. 438-439]. In der Praxis ist der Übergang zwischen ERP-, ERP II- und APS-Software allerdings fließend [Steven 2007, S. 279-282]. Die wohl bekannteste Softwarelösung für das Supply Chain Management ist SAP SCM, deren Kernstück der Advanced Planner and Optimizer (APO) ist [Kurbel 2016, S. 441].
Abbildung 2 stellt den Zusammenhang zwischen den verschiedenen Informationssystemen abschließend graphisch dar.
Abb. 2: Zusammenhang zwischen den verschiedenen Informationssystemen
Literatur
Domschke, Wolfgang; Scholl, Armin; Voß, Stefan: Produktionsplanung. 2. Auflage. Springer : Berlin/Heidelberg 1997.
Glaser, Horst; Geiger, Werner; Rohde, Volker: PPS – Produktionsplanung und -steuerung. 2. Auflage. Gabler : Wiesbaden 1992.
Hansmann, Werner: Industrielles Management. 8. Auflage, Oldenbourg : München/Wien 2006.
Hoitsch, Hans-Jörg: Produktionswirtschaft. 2. Auflage. Vahlen : München 1993.
Kiener, Stefan; Maier-Scheubeck, Nicolas; Obermaier, Robert; Weiß, Manfred: Produktions-Management. 10. Auflage. Oldenbourg : München 2012.
Kistner, Klaus-Peter; Steven, Marion: Produktionsplanung. 3. Auflage. Physika : Heidelberg 2001.
Küpper, Hans-Ulrich; Helber, Stefan: Ablauforganisation in Produktion und Logistik. 3. Auflage. Schäfeer-Poeschel : Stuttgart 2004.
Kurbel, Karl: Enterprise Resource Planning und Supply Chain Management in der Industrie. 8. Auflage. De Gruyter : Berlin/Boston 2016.
Lödding, Hermann: Verfahren der Fertigungssteuerung. 3. Auflage. Springer Vieweg : Berlin/Heidelberg 2016.
Schuh, Günther; Schmidt, Carsten (Hrsg.): Produktionsmanagement – Handbuch Produktion und Management 5. 2. Auflage. Springer Vieweg : Berlin/Heidelberg 2014.
Steven, Marion: Handbuch Produktion. Kohlhammer : Stuttgart 2007.
Switalski, Marion: Hierarchische Produktionsplanung. Physika : Heidelberg 1989.
Tempelmeier, Horst: Material-Logistik. 5. Auflage. Springer : Berlin/Heidelberg 2003.
Thome, Rainer: Business-Software: ERP, SCM, APS, MES – was steckt hinter dem Begriffsdschungel der Business-Software-Lösungen, Studie des Mainfränkischen Electronic Commerce Kompetenzzentrums (meck), Würzburg 2007.
Thonemann, Ulrich: Operations Management. 2. Auflage. Pearson : München 2010.
Vahrenkamp, Richard: Produktionsmanagement. 6. Auflage. Oldenbourg : München 2008.
Zäpfel, Günther: Grundzüge des Produktions- und Logistikmanagement. 2. Auflage. Oldenbourg : München/Wien 2001.
Zelewski, Stephan ; Hohmann, Susanne ; Hügens, Torben: Produktionsplanungs- und –steuerungssysteme. Oldenbourg : München 2008.