Im vorliegenden Lexikonbeitrag werden die wesentlichen Merkmale von Wissensportalen herausgearbeitet sowie eine Referenzarchitektur eines Wissensportals vorgestellt.
Begriff
Ein Portal ist ein auf Grundlage von Internet- und WWW-Technologien realisiertes Angebot, das themenspezifisch und personalisiert Informationen aus verschiedenen Quellen aggregiert und so dem Benutzer (ortsunabhängig) einen zentralen Zugang zu verschiedenen Inhalten ermöglicht (vgl. Schackmann/Schü, 2001, S. 623; Zietz et al., 2010; Shivakumar, 2015). Wissensportale ermöglichen die informationstechnische Unterstützung der einzelnen Kernbereiche des Wissensmanagements. Nach Probst et al. sind dieses Wissensidentifikation, Wissenserwerb, Wissensentwicklung, Wissensverteilung, Wissensnutzung, Wissensbewahrung sowie Wissensbewertung und -messung (vgl. Probst et al., 2006). Wissensportale unterstützen die jeweiligen Kernbereiche des Wissensmanagements indem sie Wissensquellen, Verweise auf Wissensträger, Suchfunktionen und weitere unterstützende Dienste (z. B. Transaktions-, Groupware– und Kommunikationsfunktionalität) unter einer einheitlichen Umgebung benutzerfreundlich integrieren. Insbesondere die Kernbereiche der Wissensidentifikation, -verteilung und -bewahrung werden durch Wissensportale gefördert (Borowsky, Scheer, 2001, S. 66).
Die Vorteile eines Wissensportals liegen insbesondere in der Integration von Anwendungen, Prozessen und Diensten und dem personalisierten Zugriff auf verschiedene Wissensinhalte. Weitere Vorteile sind die verbesserte Teamarbeit durch Bereitstellung von Funktionalitäten zur Kommunikationsunterstützung sowie der geringere Schulungsaufwand für die Benutzer, da diese über ihren Web-Browser bzw. ein Single-Sign-On („Einmalanmeldung“) auf unterschiedliche Backend-Systeme zugreifen können ohne sich dabei detailliert mit den spezifischen Benutzungskonzepten der einzelnen Backend-Systeme auseinandersetzen zu müssen (vgl. Schelp, Winter, 2002).
Merkmale von Wissensportalen
Durch welche Merkmale lassen sich Wissensportale typisieren? Die Interaktion zwischen Benutzern und dem Wissensportal über die Benutzerschnittstelle kann bspw. über ein Web-Frontend, über mobile Endgeräte, sprachbasiert sowie multimodal erfolgen. Bei einer multimodalen Benutzerschnittstelle ist es möglich zwischen mehreren Interaktionsformen zu wählen und diese alternativ bzw. zeitgleich zu nutzen.
Ein Wissensportal kann allen Benutzergruppen (offen) oder lediglich einer zu definierenden Benutzergruppe unter gewissen und vorab definierten Bedingungen (eingeschränkt) zur Verfügung stehen. Zudem ist es möglich, den Zutritt zum Wissensportal nur bestimmten Benutzergruppen zu ermöglichen (geschlossen). Die Betreiber von geschlossenen Wissensportalen sind vorrangig daran interessiert, ihre bestehenden Nutzer langfristig an sich zu binden, anstatt einen neuen Nutzerkreis zu erschließen.
Die Benutzung eines Wissensportals kann gebührenfrei oder über die Erhebung von Gebühren erfolgen. Grundsätzlich kann die Höhe dieser Gebühren pauschal, in Abhängigkeit der ausgeführten Transaktionen oder aber für die Bereitstellung und den Umfang von Sichten auf das Wissensportal sowie für die Anzahl nutzbarer Funktionen (Funktionsumfang) erfolgen. Mit Wissensportalen werden von den Anbietern unterschiedliche Zielsetzungen verfolgt. Unterschieden werden kann zwischen einem Wissensportal als eigenständiges Geschäftsmodell sowie einem Wissensportal zur Unterstützung anderer Geschäftsmodelle des Anbieters (Hess, Herwig, 1999). Wissensportale als eigenständiges Geschäftsmodell werden überwiegend über Werbeeinnahmen finanziert.
Um die Attraktivität eines Wissensportals weiter zu erhöhen können zahlreiche Zusatzleistungen angeboten werden (Hess, Herwig, 1999), welche insbesondere aus den Bereichen Reputationsbewertung (vgl. Typisierungsmerkmal”Reputationsmechanismen”), Kommunikationsunterstützung (z.B. real-time Nachrichten) oder Transaktionsunterstützung stammen können. So können z.B. Wissensportale Shopping– und Payment-Systeme zur Unterstützung von Geschäftstransaktionen zwischen Wissensanbietern und Wissensnachfragern anbieten. Das Typisierungsmerkmal „Reputationsmechanismen“ unterscheidet, ob das Wissensportal eine Möglichkeit zur Bewertung der einzelnen Akteure (z.B. Wissensträger) im Hinblick auf deren Reputation (z.B. Einhaltung von Datenschutzbestimmungen, Einhaltung von Regeln, Angebot guter Leistungen, Vertrauenswürdigkeit der bereitgestellten Informationen, etc.) bietet oder nicht. Zu unterscheiden ist, ob die Bewertung durch eine zentrale Instanz (i.d.R. den Portalbetreiber) oder durch die Benutzer des Wissensportals untereinander erfolgt. Als Reputationsinformationsquellen bzw. -dienste können auf Wissensportalen bspw. die Folgenden dienen:
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Verbraucherinstitutionen (wie z.B. Stiftung Warentest),
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“Beschwerde”-Webseiten zur Veröffentlichung negativer Erfahrungen mit Transaktionspartnern,
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Zertifizierungen durch unabhängige Dritte, welche Sicherheitszertifikate und Gütesiegel ausstellen (z.B. VeriSign),
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Auskunfts- und Ratingdienste (Reputationssysteme) zur Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit und Zuverlässigkeit von Benutzern,
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Treuhanddienste, welche die Zahlungsabwicklung überwachen sowie Autorisierungssysteme.
Die Navigation in einem Wissensportal kann auf der Basis von Baumstrukturen ( katalogbasierte Navigation) oder schlagwortbasiert bzw. durch Kombination von beidem erfolgen (Hess, Herwig, 1999). In den Baumstrukturen sind entsprechend weiterführende Links eingeordnet. Bei einer schlagwortbasierten Navigation ist die Eingabe entsprechender Suchbegriffe erforderlich. Anbieter von Wissensportalen bieten i.d.R. auch die Möglichkeit zur Personalisierung an. Hierzu muss der Anwender zunächst Angaben zu seinen Interessensgebieten und Vorlieben machen. Auf der Basis eines Benutzerprofils können die vom Portal angebotenen Inhalte dann den spezifischen Interessen des Benutzers entsprechend selektiert und zur gewünschten Zeit über den gewünschten Kommunikationsweg (z.B. SMS, E-Mail, Video, etc.) zur Verfügung gestellt werden. Grundsätzlich kann zwischen Pull- und Push-Personalisierung unterschieden werden (vgl. Schackmann, Schü, 2001, S. 623 f.), d.h. die Personalisierung wird entweder vom Kunden ( Pull) oder vom Anbieter des Wissensportals initiiert ( Push). Benutzerprofile lassen sich bspw. anhand von Zugangsprotokollen, freiwilligen Angaben durch Fragebögen, Registrierung, Cookies oder Klickpfadanalysen zusammenstellen. Im Hinblick auf die Ausrichtung des Wissensportals kann in horizontale sowie vertikale Portale unterschieden werden. Horizontale Wissensportale umfassen ein möglichst breites Wissensspektrum, ohne dabei in die Tiefe zu gehen. Vertikale Wissensportale fokussieren dagegen auf ein bestimmtes Themengebiet. Wissensportale können schließlich noch unterschiedliche Zielgruppen ansprechen: B2C – Business-to-Consumer (gewerbliche Kunden), B2B – Business-to-Business (Unternehmen), B2E – Business-to-Employee (Mitarbeiter des eigenen Unternehmens) sowie B2P – Business-to-Public (private Nutzer).
Tabelle 1 fasst die vorgestellten Merkmale von Wissensportalen zusammen.
Tabelle 1: Ausgewählte Merkmale von Wissensportalen
Referenzarchitektur eines Wissensportals
Abbildung 1 zeigt exemplarisch eine Referenzarchitektur eines Wissensportals. Die Referenzarchitektur basiert auf konzeptionellen Überlegungen des Autors, einer Untersuchung von Portal-Applikationen ausgewählter Anbieter, der Analyse existierender Wissensportale sowie den in der Literatur vorgestellten Portal-Architekturen (vgl. z.B. Bach, 2000, S. 70; Bullinger et al. 2002; Bamberger, König, 2002; Gottschick et al. 2005; Großmann, Koschek, 2005; Gurzki, Hinderer, 2003; Riempp, 2002; Sandkuhl, 2005; Staab, 2002; Staab, Maedche, 2001). Die Referenzarchitektur bildet sowohl einen Ordnungsrahmen für die Beschreibung von Wissensportalen als auch einen Anhaltspunkt für den Aufbau neuer Wissensportale. Die Referenzarchitektur ist in sechs Ebenen untergliedert und umfasst die Ebenen Präsentation, Datenbereitstellung, Anwendungslogik, Datenhaltung, Portalinfrastruktur und Backend. Zwischen den Ebenen kommen geeignete Middleware-Technologien zum Einsatz, um eine Integration der Wissensquellen sowie der unterschiedlichen Ebenen und Applikationen zu ermöglichen. Auf der Präsentationsebene sind verschiedene Frontend-Systeme, die je nach Zugriffsrecht Ein- und Ausgaben oder nur Ausgaben des Wissensportals durchführen können. Durch Personalisierungsfunktionen erhalten die Benutzer des Portals individualisierte Sichten auf die Wissenselemente und unterstützenden Dienste des Portals. Die Datenbereitstellungsebene stellt Mechanismen zur Manipulation und zum Zugriff auf die im Wissensportal hinterlegten Inhalte zur Verfügung. Ein Inhalte-Konvertierer dient u.a. dazu die Darstellung der Wissensinhalte des Portals für die verschiedenen Browsertypen (Endgeräte) aufzubereiten und anzupassen. Mittels XSLT (Extensible Stylesheet Language Transformation) kann bspw. eine Transformation von in XML codiereten Inhalten in die jeweiligen Darstellungsformate vorgenommen werden.
Den Kern des Wissensportals bildet die Anwendungslogikebene. Für die Entwicklung von individuellen Portal-Anwendungen existieren neben der Portlet-API (JSR-168 Portlet Specification) und WSRP (Web Services for Remote Portals) unterschiedliche herstellerspezifische Schnittstellen (Portal Application Programming Interfaces (Portal APIs). Portalbasisdienste (wie z.B. zur Rechte- und Benutzerverwaltung oder zum Layoutmanagement) stellen jeweils grundlegende Funktionen für den Betrieb eines Wissensportals bereit. Kommerzielle Portalsoftware verfügt i.d.R. über vorgefertigte Portalanwendungsmodule wie z.B. Module zur Unterstützung des Workflow– und Dokumentenmanagements.
Die Ebene Portalinfrastruktur umfasst die notwendige Hard- und Software zum Betreiben eines Wissensportals (wie z.B. Fileserver, Mailserver, Datenbankmanagementsysteme, etc.). Die Ebene Backend umfasst schließlich unterschiedliche Informationssysteme, auf die von den Portalanwendungen zugegriffen werden kann (wie z.B. Customer-Relationship-Management-Systeme oder ERP-Systeme).
Abb. 1: Referenzarchitektur eines Wissensportals
Schlussbetrachtung
Der vorliegende Lexikonbeitrag hatte seinen Fokus auf den technologischen Aspekten sowie der Herausarbeitung von Merkmalen und Architekturbausteinen von Wissensportalen. Ebenso wäre auch eine Betrachtung anderer Aspekte wie z.B. zur Unterstützung kooperativen Arbeitens auf Basis von Wissensportalen, dem Zusammenspiel organisatorischer und informationstechnischer Maßnahmen oder zu Aspekten der Wirtschaftlichkeitsmessung, Wertschöpfung und Wertorientierung von Wissensportalen möglich gewesen. Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, das Wissensportale nur ein Werkzeug sind und kein Garant für ein erfolgreiches Wissensmanagement. Eine Vielzahl von Studien (vgl. z.B. Sandkuhl, 2005, S. 195; Cloete, Snyman, 2003) weisen neben der informationstechnischen Unterstützung auf weitere elementare Faktoren wie z.B. die Unternehmenskultur, organisatorische Maßnahmen sowie entsprechende interne Richtlinien für ein erfolgreiches Wissensmanagement hin.
Literatur
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