Wissen liegt in großen Organisationen in geografisch verteilter Form vor, wobei der lokale Kontext von Bedeutung ist. Anders als in klassischen Ansätzen versucht ein verteiltes Wissensmanagement, diesen Umstand in angemessener Weise zu berücksichtigen. Hierbei können agentenbasierte Lösungen eingesetzt werden.
Wissensmanagementsysteme basieren heute in der Regel auf großen, zentralisierten und homogenen Wissenssammlungen. Entsprechend eines entworfenen Begriffsschemas wird das Wissen explizit gemacht, abgebildet, gespeichert und organisiert. Dadurch wird ein einheitlicher Zugriff möglich. Als problematisch erweist sich, dass man zugunsten eines homogenen Schemas versucht, den Kontext und die subjektiv-sozialen Aspekte des Wissens zu entfernen, um diese zu objektivieren, vereinheitlichen und damit personenunabhängig zu gestalten. Grundsätzlich geht zentrales Wissensmanagement von folgenden Grundannahmen aus [Neumann et al. 2000; Bonifacio et al. 2000]:
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Wissen ist unabhängig vom Subjekt. Dasselbe Wissen kann von verschiedenen Personen oder Gruppen unabhängig zur selben Zeit erstellt werden.
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Wissen kann auf Systemen, die in einer gemeinsamen kohärenten Struktur organisiert sind, abgebildet werden.
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Sprachliche Heterogenität und semantische Differenzierung als Folge des Kontextes und der Spezifik des Wissens sind unerwünscht.
Dabei wird außer acht gelassen, dass die Erstellung und Teilung des Wissens auch an Individuen und deren Kultur geknüpft ist und damit zentrale Ansätze von den Nutzern häufig gemieden werden. Dieser natürlichen Verteiltheit des Wissens wird im Verteilten Wissensmanagement (VWM) Rechnung getragen.
Allerdings existiert ein unterschiedliches Begriffsverständnis. Einerseits wird unter VWM der Zugriff und die Sammlung von Wissen aus verteilten Wissensbasen verstanden [Borghoff et al. 1996]. Der Schwerpunkt dieser Forschung liegt auf einer Homogenisierung heterogen vorliegender Informationen und deren Speicherung in zentralen Wissensmanagementsystemen. Andere Ansätze des VWM betonen den direkten (peer-to-peer), dezentralen Austausch von Wissen [Bertolini et al. 2003, Schmücker und Müller 2003].
Hier soll VWM dadurch charakterisiert werden, dass organisatorisches Wissen nicht auf eine einzelne, zentrale und kontextfreie Verwaltung des Wissens reduziert ist, sondern Organisationen aus einer Anordnung von autonomen, lokalen Wissensbasen bestehen und dieses Wissen immer unteilbar mit dem Kontext der Erstellung des Wissens verbunden ist [Bonifacio und Bouquet 2002, S. 305]. In dieser Verteiltheit der Wissensquellen, Unterschiedlichkeit der Kontexte und Heterogenität der lokal eingesetzten Wissensmanagementsysteme liegen denn auch die wesentlichen Herausforderungen des VWM.
Bonifacio et. al betonen jedoch, dass die sprachliche Heterogenität und semantische Differenzierung an sich nicht als Einschränkungen oder Probleme betrachtet werden sollten, sondern selbst eine Eigenschaft des Wissens darstellen und dadurch eine zusätzliche Erklärungsfunktion haben [Bonifacio et al. 2002, S. 25f.].
Erste Ansätze der Bewältigung der genannten Herausforderungen setzen auf die Verwendung von agentenbasierten Lösungen, wobei Agenten vor allem in den Bausteinen Wissensidentifikation, –erwerb und –verteilung eingesetzt werden [u.a. Far 2006, Dignum 2004]. So dienen Agenten u.a. der kooperativen Suche nach Wissen, dessen Extraktion aus den entsprechenden lokalen Wissensbasen und der Interpretation und Darstellung der identifizierten Inhalte in Abhängigkeit von den Benutzervorgaben. Dies erfolgt in der Regel autonom ohne Eingriff eines Benutzers.
Literatur
Bertolini D., Busetta P., Molani A. Nori M., Perini A.: Designing Peer-to-Peer Applications: An Agent-Oriented Approach. In: Kowalczyk, Ryszard; Müller, Jörg; Tianfield, Huaglory; Unland, Rainer (Hrsg.): Agent Technologies, Infrastructures, Tools, and Applications for E-Services. Berlin: Springer, 2003, S. 92-106.
Bonifacio, Matteo; Bouquet, Paolo: Distributed Knowledge Management: A Systemic Approach. In: Minati, Gianfranco; Pessa, Eliano (Hrsg.): Emergence in Complex, Cognitive, Social and Biological Systems. Kluwer/Plenum: New York, 2002, S. 299-312.
Bonifacio, Matteo; Bouquet, Paolo; Traverso, P.: Enabling Distributed Knowledge Management: Managerial and Technological Implications. In: Informatik/Informatique (2002), Nr. 1, S. 23-29.
Bonifacio, Matteo; Bouquet, Paolo; Manzardo, Alberto: A Distributed Intelligence Paradigm for Knowledge Management. Technical Report # DIT-02-0068, University of Trento, 2000, (Abruf am 8.3.2008).
Borghoff, Uwe; Pareschi, Remo; Karch, Harald; Nöhmeier, Martina; Schlichter, Johann: Constraint-Based Information Gathering for a Network Publication System. In: Proceedings of the1st Int. Conf. on the Practical Application of Intelligent Agents and Multi-Agent Technology (PAAM96), London.The Practical Application Company: Blackpool, 1996, S. 45-59.
Dignum, Virginia: A Model for Organizational Interaction : Based on Agents, Founded in Logic. Ph.D. Thesis, Utrecht University, 2004.
Far, Behrouz Homayoun: Enterprise Knowledge Management Using Knowledge Orchestration Agency. Working Paper, 2006,(Abruf am 12.8.2008).
Neumann, Stefan; Schuurmans, Luc; Bonifacio, Matteo: Verteilte Intelligente Systeme im Wissensmanagement. In: IM Information Management & Consulting 15(2000), Nr.2, S. 75-82.
Schmücker, Jörg; Müller, Wolfgang: Praxiserfahrungen bei der Einführung dezentraler Wissensmanagementlösungen. In: Wirtschaftsinformatik 45(2003), Nr. 3, S. 307-311