Das Semantische Objektmodell (SOM) ist eine umfassende Methodik zur Modellierung betrieblicher Systeme. Die Unternehmensarchitektur von SOM differenziert zwischen Außen- und Innenperspektive auf ein betriebliches System sowie zwischen Aufgaben- und Aufgabenträgerebene. Die resultierenden Modellebenen werden in strukturorientierten und verhaltensorentierten Sichten beschrieben.
Grundlagen
Das Semantische Objektmodell (SOM) ist eine umfassende Methodik zur Modellierung betrieblicher Systeme [Ferstl, Sinz 2013, S. 194 ff.; Ferstl, Sinz 2006]. Die initialen Arbeiten zum Semantischen Objektmodell stammen aus der ersten Hälfte der 1990er-Jahre [Ferstl, Sinz 1990; Ferstl, Sinz 1991; Ferstl, Sinz 1995].
Betriebliche Systeme sind Unternehmen, Unternehmensbereiche, Unternehmensverbünde oder andere Organisationen in Wirtschaft und Verwaltung. Die Modellierungsreichweite von SOM ist nicht auf das Informationssystem eines betrieblichen Systems begrenzt, sondern umfasst insbesondere auch die Leistungserstellung und zugehörige Ressourcen sowie Ziele und Strategien. Die Modellarchitektur von SOM geht somit über die die Informationssystem-Architektur hinaus und stellt eine Unternehmensarchitektur dar. Das zugrunde liegende Strukturierungsprinzip beruht auf der Differenzierung zwischen der Außen- und der Innenperspektive auf ein betriebliches System sowie zwischen der Aufgaben- und der Aufgabenträgerebene. Diese beiden Differenzierungen machen einerseits wichtige Freiheitsgrade bei der modellbasierten Gestaltung betrieblicher Systeme sichtbar und ermöglichen andererseits die Abstimmung von Modellebenen und Sichten.
Abb. 1: Unternehmensarchitektur des Semantischen Objektmodells [Ferstl, Sinz 2013, S. 195]
Unternehmensarchitektur
Die Unternehmensarchitektur umfasst die drei Modellebenen Unternehmensplan, Geschäftsprozessmodell und Spezifikation der Ressourcen (Abb. 1):
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Der Unternehmensplan stellt das betriebliche System aus Außenperspektive dar, auf der noch keine Differenzierung zwischen Aufgaben- und Aufgabenträgerebene erfolgt. Ausgehend von der Vorstellung einer globalen Unternehmensaufgabe werden Diskurswelt und Umwelt des betrieblichen Systems abgegrenzt, Sach- und Formalziele der Unternehmensaufgabe definiert, Leistungsbeziehungen zwischen Diskurs- und Umwelt spezifiziert und die zur Durchführung der Unternehmensaufgabe erforderlichen Ressourcen erfasst.
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Das Geschäftsprozessmodell beschreibt die Aufgabenebene des betrieblichen Systems aus Innenperspektive. Es spezifiziert die Lösungsverfahren für die Realisierung des Unternehmensplans. Das Geschäftsprozessmodell folgt der Metapher eines verteilten Systems von autonomen und lose gekoppelten betrieblichen Objekten, die sich im Hinblick auf eine gemeinsame Zielerreichung koordinieren.
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Das Ressourcenmodell spezifiziert die Aufgabenträgerebene eines betrieblichen Systems aus Innenperspektive. Ressourcen zur Durchführung von Geschäftsprozessen sind Personal, Anwendungssysteme sowie Maschinen und Anlagen. Die Ressource Personal wird in Form einer Spezifikation der Aufbauorganisation modelliert. Technische Spezifikationen beschreiben Maschinen und Anlagen. Im Zentrum des Ressourcenmodells von SOM steht die Spezifikation von Anwendungssystemen als maschinelle Aufgabenträger für die Informationsverarbeitungsaufgaben des Geschäftsprozessmodells. Anwendungssysteme werden als objektorientierte und objektintegrierte [Ferstl, Sinz 2013, S. 250 ff.] verteilte Anwendungssysteme spezifiziert. Die Spezifikationen stehen in enger methodischer Beziehung zum Geschäftsprozessmodell und werden mit diesem abgestimmt.
Vorgehensmodell
Korrespondierend zur Unternehmensarchitektur beschreibt das Vorgehensmodell des Semantischen Objektmodells die auf den drei Modellebenen verwendeten Sichten sowie von oben nach unten die methodische Hauptrichtung für deren Entwicklung. Auf jeder Modellebene werden eine strukturorientierte und eine verhaltensorientierte Sicht gebildet.
Abb. 2: Vorgehensmodell des Semantischen Objektmodells [Ferstl, Sinz 2013, S. 198]
Koordination betrieblicher Objekte
Die methodischen Wurzeln von SOM liegen in der Systemtheorie, der Organisationstheorie sowie der Kybernetik. Kybernetische Prinzipien bilden die methodische Grundlage für die transaktionsorientierte Koordination lose gekoppelter betriebliche Objekte. In Geschäftsprozessmodellen werden zwei elementare Koordinationsprinzipien verwendet: die hierarchische Koordination (Regelungsprinzip) mit Steuer- und Kontrolltransaktionen sowie die nicht-hierarchische Koordination (Verhandlungsprinzip) mit Anbahnungs-, Vereinbarungs- und Durchführungstransaktionen. Die kybernetische Fundierung unterstützt dabei die Analyse der Struktur- und Verhaltenseigenschaften von Geschäftsprozessmodellen.
Werkzeugunterstützung
Ein Werkzeug zur Unterstützung der Modellierung von Geschäftsprozessen mit SOM ist im Rahmen von OMiLAB (Open Models Initiative Laboratory) frei verfügbar [Ferstl, Sinz, Bork 2016] (http://www.omilab.org/som).
Literatur
Ferstl, Otto K. ; Sinz, Elmar J.: Objektmodellierung betrieblicher Informationssysteme im Semantischen Objektmodell. In: WIRTSCHAFTSINFORMATIK 32 (1990), Nr. 6, S. 566 – 581.
Ferstl, Otto K. ; Sinz, Elmar J.: Ein Vorgehensmodell zur Objektmodellierung betrieblicher Informationssysteme im Semantischen Objektmodell (SOM). In: WIRTSCHAFTSINFORMATIK 33 (1991), Nr. 6, S. 477 – 491.
Ferstl, Otto K. ; Sinz, Elmar J.: Der Ansatz des Semantischen Objektmodells (SOM) zur Modellierung von Geschäftsprozessen. In: WIRTSCHAFTSINFORMATIK 37 (1995), Nr. 3, S. 209 – 220.
Ferstl, Otto K. ; Sinz, Elmar J.: Modeling of Business Systems Using SOM. In: Bernus, Peter ; Mertins, Kai ; Schmidt, Günter (Eds.): Handbook on Architectures of Information Systems. 2nd Edition. Berlin : Springer, 2006, S. 347 – 367.
Ferstl, Otto K. ; Sinz, Elmar J.: Grundlagen der Wirtschaftsinformatik. 7. Auflage. München : Oldenbourg, 2013.
Ferstl, Otto K. ; Sinz, Elmar J. ; Bork, Dominik: Tool Support for the Semantic Object Model. In: Karagiannis, Dimitris ; Mayr, Heinrich C. ; Mylopoulos, John (eds): Domain-Specific Conceptual Modeling. Concepts, Methods and Tools. Springer International Publishing Switzerland, 2016, S. 291 – 310