Joachim Fischer (unter Mitarbeit von André Wickenhöfer)
Früher haben private Haushalte physische Güter oder einfache Dienstleistungen identifizierbarer Anbieter (basierend auf den Vertragstypen des BGB) gekauft, gemietet, geliehen oder gepachtet. Heute werden
-
technisch kompliziertere Produkte angeboten, die als Bündel aus Hard- und Software sowie „Diensten“ für den Verbraucher nur schwierig zu verstehen sind,
-
rechtlich Vertragskonstrukte verwendet, deren Konsequenzen von Laien kaum zu beurteilen sind,
-
wirtschaftlich Vertriebspartner zwischen geschaltet, so dass die Anbieter selbst kaum zu kontaktieren sind.
Motiviert durch eine Reihe von Produktskandalen werden seit den sechziger Jahren private Haushalte bei ihren Entscheidungen durch unabhängige Verbraucherorganisationen (z. T. staatlich alimentiert) oder Vereine unterstützt. Diese bieten technische Produkttest für „Nutzerstereotypen“ (z. B. Wenig-/ Vielnutzer), betrachten aber selten die aus den Verträgen resultierenden Leistungsversprechen, Zahlungsverpflichtungen und Bindungsfristen. Unterstützt werden (Produkt-) Entscheidungen für singuläre Bedarfe (z. B. PKW-Auswahl), keine Programmentscheidungen in einem Bedarfsfeld (z. B. private Mobilität).
Die privaten Haushalte verwenden zunehmend das Internet bei Konsumentscheidungen:
-
Vor Kaufentscheidungen werden Produktrezensionen auf E-Commerce-Plattformen und Internet-Foren sowie Soziale Netze genutzt, gekauft wird bei Online-Händlern,
-
Reisen werden online recherchiert, Preise und Ausstattungen privater oder kommerzieller Unterkünfte verglichen und gebucht,
-
Fahrten werden per „App“ geplant, Fahrzeiten und Preise alternativer Verkehrsmitteln verglichen und Tickets online gebucht.
Die Internetangebote sind meist Teil unternehmerischer Geschäftsmodelle für das digitale Leben der Konsumenten und dienen primär dem Unternehmenserfolg. Für ein mündiges „digital life“ sind jedoch „neutrale“ Internet-Dienste z. B. von Verbraucherorganisationen erforderlich, die es Privathaushalten ermöglichen, technisch, wirtschaftlich und juristisch sachverständig zu entscheiden. Nur so lassen sich Fehlallokationen von staatlichen und privaten Ressourcen (zu beobachten im Gesundheits-, Bildungs- und Verkehrsbereich) sowie Bedrohungen der demokratischen und marktwirtschaftlichen Ordnung vermeiden. Dies ist auch angesichts zunehmender Digitalisierung vieler Lebensbereiche (z. B. Smart-Home, Smart-Mobility, E-Health, E-Finance) erforderlich.
Informationssystemarchitektur zur Vertragsprogrammentscheidung
Dem Input-Process-Output-Prinzip folgend, ist aus Input-Sicht zu klären, wie sich die individuellen Bedarfe in den Lebensbereichen der Konsumenten erfassen, speichern und auf das vorhandene Angebot abbilden lassen.
Das Angebot wird am Markt durch Verträge fundiert. Diese regeln das Leistungsversprechen (z. B. Anzahl monatlicher Freiminuten) sowie finanzielle (z. B. Zahlung bei Vertragsabschluss, monatlich zu zahlender Betrag) und rechtliche (z. B. Vertragslaufzeit und Kündigungsfristen) Konsequenzen. Zu klären ist, wie eine Vergleichbarkeit der Verträge im Hinblick auf deren Eignung zur Bedarfsdeckung gesichert werden kann.
Aus Prozesssicht ist zu klären, welche Methode für eine optimale Vertragsauswahl geeignet ist. Die technischen, wirtschaftlichen, und juristischen Folgen des gewählten Vertragsprogramms sollten verbrauchergerecht veranschaulicht werden. Neben betriebswirtschaftlichen Elementen wie Finanzplänen sind den Konsumenten vertraute Darstellungen wie digitale Kalender (z. B. zur Visualisierung von Vertragslaufzeiten und Erinnerungen an Kündigungstermine) nutzbar.
Literatur
Oesterle, H.: Business oder Life Engineering? In: HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik 51 (2014) 6, S. 744-761. Springer Verlag, Heidelberg 2014.
Wickenhöfer, A.: IT-unterstützte Vertragsprogrammplanung für private Haushalte am Beispiel des Bedarfsfeldes Mobilität. Innovation Publication, Bingen Paderborn 2016