Joachim Fischer (unter Mitarbeit von Christian Brandt)
In Verträgen werden u.a. die geschäftlichen Beziehungen eines Unternehmens zu seinen Kunden und Lieferanten geregelt. Um Verträge in ihrem Lebenszyklus (Vertragsplanung, -design, -verhandlung, -durchführung, -controlling zu verwalten, werden Informationssysteme eingesetzt.
Passive Vertragsmanagementsysteme verwalten Verträge dokumentenorientiert. Durch Verschlagwortung auf Basis von Wörterbüchern (Indexierung) oder Wiedervorlagefunktionen von Vertragsterminen (z. B. Kündigungsfristen) lassen sich Verträge klassifizieren und für Geschäftsprozesse situativ nutzen. Fortgeschrittene Systeme filtern auch logistische und finanzielle Vertragsinformationen (z. B. Liefermengen und -zeiten, Zahlungshöhen und -zeitpunkte), um diese in ERP-Systeme einfließen zu lassen.
Aktive Vertragsmanagementsysteme bilden die Geschäftsobjekte und die resultierenden Leistungs-, Zahlungs- und Bindungsfolgen ab und erlauben so die Steuerung von Unternehmensprozessen anhand vertraglicher Vereinbarungen. So weist z. B. ein solches System in der Versicherungsbranche aus, welche Beitragserhöhungen im aktuellen Zustand eines Rentenversicherungsvertrages möglich sind, welche Konsequenzen dies bezüglich der Todesfallleistung hat und wie lange der Kunde an eine Erhöhung gebunden ist. Zu unterscheiden sind vertragsspezifizierende und vertragsausführende Systemteile. Die Vertragsspezifikation beschreibt z.B. in der Finanzdienstleistungsbranche Produkte wie eine Rentenversicherung oder eine Hypothek. Dazu wird eine Stückliste von Vertragsklauseln sowie das Regelwerk, wie diese zu konfigurieren und kombinieren sind, festgelegt. Vertragsausführende Systemteile verwalten der Vertragsspezifikation folgende Verträge in aktuellen und vergangenen Vertragszuständen und bieten Operationen über die möglichen Handlungen und Unterlassungen beider Vertragsparteien.
Aktive Systeme erlauben betriebswirtschaftliche Folgerungen für ein Vertragsportfolio: Bindungs-, Leistungs- und Zahlungsfolgen lassen sich im Hinblick auf rechtliche und marktliche Einflüsse prognostizieren, wie dies z. B. Finanzdienstleister bei Kapitalanlageprozessen praktizieren.
Im Gegensatz zu aktive Vertragsmanagementsystemen interpretieren vertragsbasierte Informationssysteme den Vertrag als juristisches Konstrukt. Das vertragliche Regelwerk wird in Zusammenhang mit Gesetzen, kaufmännischen wie technischen Standards und Normen gebracht. Im Mittelpunkt steht das erprobte juristisch–logische Sprachkonstrukt, das den Handlungswillen und den Handlungsraum der Beteiligten ausdrückt. Vertragsbasierte Informationssysteme ließen sich beispielsweise anstelle normierter Nachrichtenformate wie EDIFACT (Industrie&Handel) oder BIPRO (Finanzdienstleister) für die zwischenbetriebliche Kommunikation einsetzen [Brandt 2009].
Literatur
Brandt, C: Vom Vertragsmanagement zur zwischenbetrieblichen Kommunikation. Paderborn 2009.
Fischer, J.; Spiekermann, M.; Wüst, A.: Vertragsmanagement in Lieferketten. In: Inderfurth, K.; Schenk, M.; Wäscher, G.; Ziems, D.(Hrsg.): Logistikplanung und –management. Magdeburg 2003, S. 92 – 106.
Fischer, J.: Vertragsmanagement in Wertschöpfungsnetzen – Skizze eines Forschungsxadprogramms aus Sicht eines Wirtschaftsinformatikers. In: Blecker, T.; Gemünden, J. (Hrsg.): Wertschöpfungsnetzwerke, Berlin 2006, S. 129 – 146.
Heussen, B. (Hrsg.): Handbuch Vertragsxadxadverxadhandlung und Vertragsmanagement, Köln 2002, S. 27 – 310