Bibtex

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  Year    = "2019", 
  Title    = "Digitales Unternehmen", 
  Author    = "", 
  Booktitle    = "Gronau, Norbert ; Becker, Jörg ; Kliewer, Natalia ; Leimeister, Jan Marco ; Overhage, Sven (Herausgeber): Enzyklopädie der Wirtschaftsinformatik – Online-Lexikon",
  Publisher    = "Berlin : GITO",
  Url    = "https://wi-lex.de/index.php/lexikon/uebergreifender-teil/kontext-und-grundlagen/markt/digitales-unternehmen/", 
  Note    = "[Online; Stand 30. April 2024]",
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Digitales Unternehmen

Thomas Hess


Unternehmen setzen Informationstechnologien (IT) z.B. zur Steigerung der Effizienz ihrer administrativen Prozesse (etwa durch ERP-Systeme), zur Verbesserung ihrer Kundenschnittstellen (etwa durch einen Online-Kanal zu Kunden), zur Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen weltweit verteilten Projektteams (so z.B. durch Kollaborationssysteme) oder auch zur Entwicklung neuer Produkte und Dienste (z.B. Erweiterung eines physischen Produkts um Softwarekomponenten) ein. Trotz aller Unterschiede im Detail ist heute kein Unternehmen vorstellbar, das keine IT nutzt und damit nicht „digital“ ist. Gleichwohl gibt es gravierende Unterschiede bzgl. des Schwerpunkts, des Umfangs und der Bedeutung der Nutzung von IT durch Unternehmen.

Schwerpunkt der Nutzung von Informationstechnologien

Zur Darstellung des Schwerpunkts der Nutzung von IT in Unternehmen lässt sich z.B. auf die von Michael Porter entwickelte Darstellung der Wert(-schöpfungs-)kette eines Unternehmens zurück­greifen (vgl. Porter 1985). Porter unterscheidet zwischen primären und sekundären Aktivitäten. Diese Strukturierung, die ggf. an die Branche anzupassen ist, lässt sich nutzen, um die Verortung wichtiger IT-Systeme im Unternehmen darzustellen. Abbildung 1 zeigt am Beispiel der Medienindustrie, wie einzelne primäre Aktivitäten durch Anwendungssysteme unterstützt werden.

Anwendungssysteme für Medienunternehmen

Abb. 1: Anwendungssysteme für Medienunternehmen (in Anlehnung an Mertens et al. 2017)

Ebenfalls von Michael Porter stammt ein Modell zur Analyse der Verbindung zwischen den Wertketten unterschiedlicher Unternehmen (vgl. Porter 1985). Dieses Modells stellt plakativ die Verknüpfung der wichtigsten primären Aktivitäten eines Unternehmens mit den Aktivitäten vorangehender bzw. nachgelagerter Wertschöpfungsschritte dar. Ein Beispiel, wie IT die Wertkette aufeinanderfolgender Unternehmen beeinflusst, stellen Verfahren zum elektronischen Datenaustausch (EDI) in der Automobilindustrie dar. Solche elektronischen Schnittstellen sind Voraussetzung für eine Vernetzung einzelner Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette – sei es vor dem Hintergrund von Lieferantenketten, in gemeinsamer Forschungs- und Entwicklungsarbeit oder im Vertrieb – und bilden damit eine wichtige Voraussetzung für das erfolgreiche Zusammenspiel der einzelnen Wertschöpfungsschritte.

Umfang der Nutzung von Informationstechnologien

Schwieriger ist die Bestimmung des Umfangs der Nutzung von IT durch Unternehmen. Von einem technischen Ausgangspunkt kommend, setzt eine derartige Betrachtung an den Aufgaben eines Unternehmens an, ggf. ergänzt durch die verarbeiteten Daten. Sind alle Aufgabe auf den Computer übertragen (und alle Daten maschinell gespeichert), dann ist ein Unternehmen vollständig digitalisiert. In diesem Sinne sind z.B. die Betreiber von sozialen Netzwerken vollständig digitalisiert, der Betreiber eines Zementwerkes ist es dagegen weniger.

Denkbar ist auch eine finanzielle Perspektive. Danach misst sich der Grad der Digitalisierung eines Unternehmens nach den Ausgaben für IT– ggf. in Beziehung z.B. zu den Ausgaben insgesamt oder zu den Einnahmen zu setzen. Derartige Größen geben dem Management erste, relativierende Hinweise, gerade im Vergleich zu Unternehmen gleicher Branche und Größe. Weitergehende Einsichten lassen sich so jedoch nicht ableiten.

Einen anderen Weg gehen Ansätze, die die Durchdringung einer Unternehmung mit IT-Systemen als „Grad der digitalen Reife“ interpretie­ren. Im Kern versuchen derartige Ansätze festzustellen, in wie weit ein Unternehmen insgesamt oder in einzel­nen Bereichen die grundsätzlich verfügbaren Lösungsansätze adaptiert hat. In diesem Sinne hat z.B. ein Rundfunkanbieter aktuell einen hohen Grad digitaler Reife in seinem Kern­geschäft, wenn er seine Inhalte als Stream auf unter­schiedlichen Kanälen bereitstellt, den ausstrah­lungsunabhängigen Konsum von Inhalten erlaubt, über ein Empfehlungssystem seinen Kunden spezifische Vorschläge zur Auswahl von Inhalten anbietet und ggf. über ein Rechteschutzsystem den Zugang zu den Inhalten sicher kontrolliert. Analog lässt sich die digitale Reife eines Versicherungsunternehmens anhand des Onlineanteils im Vertrieb oder der Blindverarbeitung in der Schadensabwicklung beurteilen. Manche Ansätze zur Bestimmung der digitalen Reife verlangen zusätzlich einen hohen Reifegrad bei der Etablierung von Managementkonzepten für die systematische Bewältigung des digitalen Wandels, etwa durch die Definition von Prozess- und Rollenmodellen.

Ökonomische Bedeutung von Informationstechnologien

Schon relativ lange beschäftigt sich die Forschung mit der Frage der differenzierenden Bedeutung von IT-Systemen für ein einzelnes Unternehmen. Nach aktueller Einschätzung (siehe z.B. Melville 2004) kann eine differenzierende Wirkung u.U. von wenigen Applikationen durchaus ausgehen, so z.B. von einem besonders ausgefeilten Produktionsplanungssystem eines Maschinenbauers oder von einem intelligenten Algorithmus als Kern des Suchdienstes eines Suchmaschinenanbieters. Viele andere Teile der IT-Landschaft eines Unternehmens, sowohl bei den Applikationen als auch insbesondere bei der IT-Infrastruktur, nehmen dagegen heute den Charakter von „Hygienefaktoren“ ein, d.h. sie müssen in einem angemessenen Kosten­rahmen funktionieren, haben aber keine differenzierende Wirkung.

Ob steigende IT-Investitionen auch zwangsläufig zu steigender Produktivität und Rentabilität in Unternehmen führen, wird breit diskutiert. Teilweise wurde sogar ein negativer Effekt steigender IT-Investitionen beobachtet, dieses Phänomen wird unter dem Stichwort „Produktivitätsparadoxon“ diskutiert. Neuere Studien – die insbesondere methodische Probleme überwunden haben – bestärken allerdings die Ansicht, dass IT-Investitionen sowohl auf makro- als auch mikroökonomischer Ebene einen positiven Effekt haben. Interessanterweise zeigt sich allerdings, dass die Stärke des Effekts, beziehungsweise der Erfolg der Investitionen zwischen verschiedenen Ländern, Wirtschaftszweigen und auch Einzelunternehmen, stark variiert und von der Qualität des Managements stark beeinflusst wird (vgl. Mertens et al. 2017).


Literatur

Melville,r N., Kraemer, K., Gurbaxani, V.: Review: Information Technology andr Organizational Performance: An Integrative Model of IT Business Value. MIS Quarterly(2004),r 28:2,S. 283-322.

Mertens, P., Bodendorf, F., König, W., Picot, A., Schumann, M., Hess,r T.: Grundzüge der Wirtschaftsinformatik(2017). Springer-Verlag,r 12. Auflage.

Porter, M.r E.: Competitive Advantage: Creating and Sustaining Superior Performance.r New York(1985)

 

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