Sebastian Schlauderer, Sven Overhage
Die Business Process Model and Notation (BPMN) ist eine Sprache zur graphischen Darstellung von Geschäftsprozessen. Sie wurde als ein Industriestandard entwickelt, der für Analysten, Fachanwender und Entwickler gleichermaßen nutzbar ist, und ist heute in der Praxis weit verbreitet.
Gegenstand
Die Business Process Model and Notation (BPMN) ist ein Industriestandard zur Darstellung von Geschäftsprozessmodellen in einer graphischen Form, die von Fachanwendern und Analysten gleichermaßen verstanden werden soll [OMG 2011, S. 1]. Eines der Ziele der BPMN ist die Vereinheitlichung der verschiedenen, heute verbreiteten Darstellungsformen und Modellierungssprachen in der Geschäftsprozessmodellierung [Weske 2014]. Damit soll eine standardisierte Brücke zwischen der Prozessanalyse, dem Prozessdesign und der Prozessimplementierung geschaffen werden [OMG 2011, S. 1]. Die BPMN wird von der Object Management Group (OMG) gepflegt und wurde in der Version 2.0.1 von der International Organization for Standardization (ISO) unter der Nummer ISO/IEC 19510 als internationaler Standard festgelegt [ISO/IEC 2013]. Ab der Version 2.0 der BPMN wird nicht nur eine graphische Notation, sondern auch eine sog. Ausführungssemantik festgelegt, d.h. es wird ebenfalls spezifiziert, was die Ausführung der einzelnen Notationselemente jeweils bedeutet. Der Schwerpunkt der BPMN liegtjedoch auf der Definition der Notation, d.h. der graphischen Elemente zur Darstellung von Geschäftsprozessmodellen [Weske 2014]. Daneben existiert seit der BPMN Version 2.0 auch ein standardisiertes XML-Format, in dem Geschäftsprozessdiagramme gespeichert werden können.
Notation
Die BPMN beschreibt ein Geschäftsprozessmodell in Form eines Geschäftsprozessdiagramms, das eine zeitlich-logische Abfolge von Ereignissen, Entscheidungen und betrieblichen Aufgaben enthält [OMG 2011, S. 21]. Die zeitlich-logische Abfolge wird im BPMN-Geschäftsprozessdiagramm üblicherweise horizontal von links nach rechts dargestellt. Die zentralen Konstrukte zur Modellierung eines Geschäftsprozessdiagramms lassen sich einteilen in Kontrollflusselemente, Daten, Verbindungselemente, Verantwortlichkeitsbereiche und Artefakte [OMG2011, S. 27-28; Allweyer 2015]:
Kontrollflusselemente
Zu den Kontrollflusselementen gehören Aktivitäten, Konnektoren und Ereignisse. Sie werden zur Modellierung des Verhaltens verwendet. Aktivitäten stehen für betriebliche Aufgaben, die im Verlauf des Geschäftsprozesses zu bearbeiten sind. Bei der Modellierung kann zwischen Aufgaben, Transaktionen, Aufruf-Aktivitäten und Ereignis-Teilprozessen unterschieden werden. Aufgaben beschreiben reguläre betriebliche Aufgaben. Transaktionen bündeln abgeschlossene, logisch zusammengehörende Aktivitäten. Sie werden entweder vollständig ausgeführt oder gar nicht. Im letzteren Fall sind alle bereits erfolgten Aktivitäten rückgängig zu machen. Aufruf-Aktivitäten stellen Verweise auf global definierte Aktivitäten dar, die im aktuellen Prozess wiederverwendet werden. Ereignis-Teilprozesse definieren Teilprozesse, die durch ein bestimmtes Ereignis gestartet werden. Das Verhalten der Aktivitäten kann ferner durch Markierungen, der Charakter von Aktivitäten durch Aufgaben-Typen näher bestimmt werden (siehe Abb. 1).
Abb. 1. Aktivitäten, Markierungen und Aufgaben-Typen der
BPMN Konnektoren werden verwendet, um Verzweigungen und Vereinigungen des Kontrollflusses im Prozessdiagramm darzustellen. In der BPMN wird zwischen parallelen UND sowie exklusiven und inklusiven ODER Konnektoren unterschieden. Ferner existieren ereignisbasierte Konnektoren, die nicht per Bedingung ausgelöst werden, sondern durch das Eintreten der nachfolgenden Ereignisse. Darüber hinaus stellt die BPMN auch sog. komplexe Konnektoren als Konstrukte zur Verfügung (siehe Abb. 2). Diese werden insbesondere dann verwendet, wenn sich ein Sachverhalt nicht oder nur umständlich durch die anderen Konnektoren ausdrücken lässt.
Abb. 2. Konnektoren der BPMN
Ereignisse beschreiben Zustände, die im Verlauf des Prozesses eintreten. Die BPMN unterscheidet mit speziellen Symbolen zwischen Startereignissen, die zu Beginn des Prozessablaufs auftreten, Zwischenereignissen, die während des Prozessablaufs auftreten, und Endereignissen, die am Ende des Prozessablaufs auftreten. Start- und Zwischenereignisse können eine unterbrechende oder eine nicht-unterbrechende Wirkung auf den Prozessablauf haben. Bei Zwischenereignissen kann mit jeweils unterschiedlichen Symbolvarianten zudem unterschieden werden, ob diese während des Prozessablaufs ausgelöst werden oder ob auf deren Eintreten gewartet wird. Ferner legt die BPMN verschiedene Ereignistypen fest, darunter bspw. Nachrichtenereignisse und Zeitereignisse (siehe Abb. 3).
Abb. 3. Ereignistypen der BPMN
Daten
Als Daten werden die in einem Geschäftsprozess ausgetauschten Informationen bezeichnet. Dabei kann es sich gleichermaßen um physische Objekte oder elektronische Beschreibungen bzw. Daten handeln. Die BPMN unterscheidet zwischen folgenden Arten von Daten (siehe auch Abb. 4):
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Datenobjekte repräsentieren Informationen und sind in den Prozessfluss eingebunden (z.B. Dokumente, Emails, etc.).
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Listen-Datenobjekte stellen Gruppen von Informationen dar (z.B. Stücklisten).
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Dateninputs sind Datenobjekte, die als Eingabe für einen Prozess fungieren.
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Datenoutputs sind Datenobjekte, die als Ausgabe eines Prozesses fungieren.
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Datenspeicher speichern Informationen persistent, d.h. auch über Prozessinstanzen hinweg.
Abb. 4. Konstrukte zur Modellierung von Daten in der BPMN
Verbindungselemente
Als Verbindungselemente werden die Kanten bezeichnet, mit denen die Elemente eines Geschäftsprozesses verbunden werden können. Hierzu gehören Sequenzflüsse, Nachrichtenflüsse und Assoziationen (siehe auch Abb. 5):
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Sequenzflüsse verbinden die o.g. Kontrollflusselemente miteinander und zeigen an, in welcher Reihenfolge diese auftreten.
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Bedingte Flüsse sind Sequenzflüsse, die mit einer Bedingung versehen werden. Diese führt dazu, dass die Verbindung nur durchlaufen wird, falls die angegebene Bedingung zutrifft.
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Standardflüsse werden durchlaufen, falls alle sonstigen Bedingungen nicht erfüllt sind.
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Nachrichtenflüsse werden verwendet, um den Austausch von Benachrichtigungen zwischen verschiedenen Verantwortlichkeitsbereichen oder Kontrollflusselementen darzustellen.
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Assoziationen werden verwendet, um Datenobjekte mit Aktivitäten und Prozessen zu verbinden.
Abb. 5. Verbindungselemente der BPMN
Verantwortlichkeitsbereiche
Verantwortlichkeitsbereiche werden genutzt, um Prozessbeteiligte darzustellen und deren jeweilige Aktivitäten zusammenzufassen. Die BPMN unterscheidet zwischen sog. Pools und Lanes. Pools repräsentieren die verantwortlichen Prozessbeteiligten, etwa Organisationen oder Abteilungen. Lanes verfolgen denselben Zweck, spezialisieren Pools jedoch weitergehend, bspw. als Benutzer oder Benutzerrollen (siehe Abb. 6).
Abb. 6. Verantwortlichkeitsbereiche der BPMN
Artefakte
Als Artefakte werden in der BPMN weitere Elemente zusammengefasst, die zur Modellierung von Geschäftsprozessen genutzt werden können (vgl. Abb. 7). Hierzu gehören insbesondere Gruppen und Kommentare. Kommentare können verwendet werden, um ergänzende Angaben zu Elementen des Prozesses zu machen. Gruppen dienen der visuellen Hervorhebung bzw. Zusammenfassung unterschiedlicher Elemente.
Abb. 7. Artefakte der BPMN
Anwendungsbeispiel
Abb. 8 zeigt beispielhaft ein BPMN-Geschäftsprozessdiagramm zur Darstellung des Geschäftsprozesses “Automobil anmieten”. Der Prozess beginnt mit dem Absenden einer Beauftragung durch den Kunden. Sobald diese beim Vermieter eingegangen ist, wird vom zuständigen Service-Mitarbeiter ein zur gewünschten Fahrzeugkategorie passendes Fahrzeug ausgewählt und geprüft. Parallel dazu werden die Daten des Kunden von einem Sachbearbeiter in das Buchungssystem eingegeben und die Beauftragung abgewickelt. Falls bei der Abwicklung der Beauftragung ein Fehler auftritt, wird die Buchung storniert. Anderenfalls ist nach Abschluss der Bearbeitung durch den Service-Mitarbeiter und den Sachbearbeiter der Auftrag erfolgreich angelegt und der Kunde wird entsprechend benachrichtigt.
Abb. 8. Geschäftsprozessdiagramm zur Darstellung des Prozesses “Automobil anmieten”
Literatur
Allweyer, Thomas: BPMN 2.0 – Business Process Model and Notation: Einführung in den Standard für die Geschäftsprozessmodellierung. 3. Auflage, Books on Demand, Norderstedt 2015.
OMG: Business Process Model and Notation (BPMN), Version 2.0. OMG Document formal/2011-01-03, Object Management Group, 2011. http://www.omg.org/spec/BPMN/2.0 (Abruf 14.11.2016).
ISO/IEC: Information Technology – Object Management Group Business Process Model and Notation. ISO/IEC Standard 19510:2013, 2013. http://www.iso.org/iso/catalogue_detail.htm?csnumber=62652 (Abruf 14.11.2016).
Weske, Mathias: Business Process Management. 2. Auflage, Springer, Berlin 2014.