Bibtex

@InCollection{,
  Year    = "2019", 
  Title    = "Nutzwertanalyse", 
  Author    = "Bensberg, Prof. Dr. Frank", 
  Booktitle    = "Gronau, Norbert ; Becker, Jörg ; Kliewer, Natalia ; Leimeister, Jan Marco ; Overhage, Sven (Herausgeber): Enzyklopädie der Wirtschaftsinformatik – Online-Lexikon",
  Publisher    = "Berlin : GITO",
  Url    = "https://wi-lex.de/index.php/lexikon/management-von-anwendungssystemen/beschaffung-von-anwendungssoftware/nutzwertanalyse-2/", 
  Note    = "[Online; Stand 21. November 2024]",
}

Nutzwertanalyse

Frank Bensberg


Bei der Beschaffung von Anwendungssoftware kann die Nutzwertanalyse (NWA) zur multikriteriellen Bewertung von Systemalternativen eingesetzt werden. Der Einsatzschwerpunkt dieses Verfahrens liegt in der Erhebung und Verdichtung solcher systembedingten Nutzeffekte, die sich einer monetären Bewertung entziehen.

Grundmodell

“Nutzwertanalyse ist die Analyse einer  Menge komplexer Handlungsalternativen mit dem Zweck, die Elemente dieser Menge entsprechend den Präferenzen des Entscheidungsträgers bezüglich eines multidimensionalen Zielsystems zu ordnen.” [Zangemeister 1976, S. 45]

Die Nutzwertanalyse unterstützt die Auswahl von Entscheidungsalternativen unter Sicherheit. Im deutschsprachigen Raum ist die von Zangemeister entwickelte Verfahrensweise verbreitet, die eine additive Nutzensynthese zugrunde legt [Zangemeister 1976, S. 55 ff.]. Der Nutzwert einer Alternative wird dabei als Summe der nach ihrer Relevanz gewichteten Teilnutzwerte berechnet (Abb. 1). Diese Teilnutzwerte drücken aus, wie gut eine Alternative ein Ziel des Bewertenden erfüllt und werden infolgedessen auch als Bewertungsmaßstäbe für die systembedingte Effektivität (Measures of Effectiveness, MoE) betrachtet [Bensberg 2010, S. 88]. Zur Messung der Teilnutzwerte wird ein ordinales Skalenniveau verwendet [Zangemeister 2000, S. 122].

 Grundmodell

Abb. 1: Grundmodell der Nutzwertanalyse

Anwendungsbeispiel

Abb. 2 zeigt ein Beispiel zur Nutzwertanalyse bei der Auswahl eines Anwendungssystems für das Adressmanagement [Grob et al. 2004, S. 496]. Zur Auswahl stehen zwei Alternativen (A1, A2), für die aus den Oberkriterien Funktionalität, Ergonomie, Flexibilität und Services entsprechende Unterkriterien abgeleitet worden sind. Die Bewertung erfolgt auf einer Skala von 1 (geringe Zielerfüllung) bis 5 (hohe Zielerfüllung). Das Ergebnis zeigt, dass A2 die dominierende Alternative ist.

NWA-Beispiel

Abb. 2: Anwendungsbeispiel zur Nutzwertanalyse

Softwareunterstützung

Zur Unterstützung von Nutzwertanalysen steht eine Reihe von Softwareprodukten zur Verfügung. Diese gestatten nicht nur die Konstruktion und Dokumentation nutzwertanalytischer Modelle, sondern bieten auch Berichts- und Visualisierungsfunktionen. Abb. 3 zeigt ein Diagramm, das mithilfe des kommerziellen Softwareprodukts CelsiEval erzeugt wurde. Ein weiteres Softwareprodukt zur Nutzwertanalyse ist das Produkt WiBe Kalkulator, das zur Durchführung von Wirtschaftlichkeitsanalysen für IT in der öffentlichen Verwaltung eingesetzt wird und vom Informationstechnikzentrum Bund zur freien Verfügung gestellt wird [ITZBund].

 NWA-Softwareunterstützung

Abb. 3: Beispiel zur Softwareunterstützung der Nutzwertanalyse

Kritik

Mit der Nutzwertanalyse kann eine vollständige Bewertung von Systemalternativen nach einer ex ante bestimmten Anzahl von Kriterien sichergestellt werden. Die Verdichtung dieser Partial­bewertungen zu einer dimensionslosen Nutzenkennzahl als aggregierte Wertaussage ist jedoch aus formaler und inhaltlicher Perspektive zu kritisieren [Grob, Bensberg 2009, S. 50-54]. So werden ordinalskalierte Wertaussagen formal unzulässig als metrisch skalierte Daten behandelt. Außerdem geht die Nutzwertanalyse von einer vollständigen Kompensierbarkeit einzelner Eigenschaftsausprägungen aus, d. h. Defizite einer Alternative bei einem Kriterium können durch Übererfüllung bei einem anderen Kriterium ausgeglichen werden. Potenziell positive Eigenschaften der Nutzwertanalyse sind indes darin zu sehen, dass sie methodisch einfach umsetzbar ist, die Transparenz von Entscheidungsprozessen steigert und schließlich auch in der Unternehmenspraxis weite Verbreitung gefunden hat. Darüber hinaus besitzt die Nutzwertanalyse in der normativen Entscheidungstheorie die Bedeutung eines Referenzentscheidungsmodells bei Entscheidungssituationen unter Sicherheit mit multiplen Zielsetzungen. Infolgedessen bietet sich die Nutzwertanalyse auch an, um potenzielle Rationalitätsdefizite in Entscheidungsprozessen abzubauen.


Literatur

Bensberg, Frank: BI-Portfoliocontrolling – Konzeption, Methodik und Softwareunterstützung. Baden-Baden : Nomos, 2010.

Grob, Heinz Lothar ; Reepmeyer, Jan-Armin ; Bensberg, Frank: Einführung in die Wirtschaftsinformatik. München : Vahlen, 2004.

Grob, Heinz Lothar ; Bensberg, Frank: Controllingsysteme – Entscheidungstheoretische und informationstechnische Grundlagen. München : Vahlen, 2009.

ITZBund: WiBe – Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen. http://www.itzbund.de/DE/Produkte/WiBe/wibe_node.html (Abruf 2016-10-28).

Zangemeister, Christof: Nutzwertanalyse in der Systemtechnik. 4. Auflage. München : Wittemannsche Buchhandlung, 1976.

Zangemeister, Christof: Erweiterte Wirtschaftlichkeitsanalyse (EWA). Bremerhaven : Wirtschaftsverlag NW, 2000.

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