Bibtex

@InCollection{,
  Year    = "2019", 
  Title    = "Rechnerunterstützte Fertigungsplanung (CAP)", 
  Author    = "", 
  Booktitle    = "Gronau, Norbert ; Becker, Jörg ; Kliewer, Natalia ; Leimeister, Jan Marco ; Overhage, Sven (Herausgeber): Enzyklopädie der Wirtschaftsinformatik – Online-Lexikon",
  Publisher    = "Berlin : GITO",
  Url    = "https://wi-lex.de/index.php/lexikon/inner-und-ueberbetriebliche-informationssysteme/sektorspezifische-anwendungssysteme/computer-integrated-manufacturing-cim/rechnerunterstuetzte-fertigungsplanung-cap/", 
  Note    = "[Online; Stand 23. November 2024]",
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Rechnerunterstützte Fertigungsplanung (CAP)

Juergen Gausemeier


Die Fertigungsplanung legt fest, wie ein Produkt hergestellt werden soll. Dafür ist ein komplexes Produktionssystem inklusive der logistischen Zusammenhänge (Materialfluss) zu entwickeln. IT-Systeme unterstützen nahezu alle Aufgaben der Produktionssystementwicklung. Die Digitale Fabrik wird dabei als Analogon zum Virtual Prototyping verstanden.

Fertigungsplanung

Fertigungsplanung (syn. Arbeitsplanung nach AWF/REFA) legt fest, wie ein Produkt hergestellt werden soll. Hauptaufgaben der Fertigungsplanung sind die Arbeitsablaufplanung, die Arbeitsstättenplanung und die Arbeitsmittelplanung. Wir zählen zur Fertigungsplanung auch Aufgaben der Produktionslogistik und verwenden daher den Begriff Produktionssystementwicklung, weil es am Ende darum geht, ein komplexes Produktionssystem inklusive der logistischen Zusammenhänge (Materialfluss) zu entwickeln. Produkt und Produktionssystem sind im Wechselspiel zu entwickeln, da in vielen Fällen Festlegungen im Produktionssystem (z. B. Wahl der Fertigungstechnologie) bereits die Produktkonzeption prädestinieren [Gausemeier, Plass 2014].

Systeme zur Produktionssystementwicklung – Digitale Fabrik

IT-Systeme unterstützen nahezu alle Aufgaben der Produktionssystementwicklung, angefangen bei der Arbeitsplanerstellung und Arbeitsplanverwaltung über die Vorgabezeitermittlung und Arbeitskostenplanung bis zur Materialflusssimulation. Unter Digitale Fabrik verstehen wir in Analogie zum Virtual Prototyping eine Arbeitstechnik, die auf der Bildung und Analyse von rechnerinternen Modellen des in Planung befindlichen Produktionssystems beruht. Das spart Zeit und Kosten, weil das Testen an realen Systemen auf ein Minimum beschränkt werden kann. Parallel zum Begriff Digitale Fabrik hat sich auch der Begriff Virtuelle Produktion verbreitet. Im Folgenden stellen wir für die Aufgabenbereiche Arbeitsablaufplanung und Arbeitsstättenplanung typischen Anwendungen der digitalen Fabrik vor. Ferner gehen wir unter Produktionslogistik kurz auf die Materialflussplanung und -simulation ein.

Arbeitsablaufplanung

Hauptziel der Arbeitsablaufplanung ist die Beschreibung aller notwendigen Arbeitsschritte zur Fertigung eines Produkts in einem Arbeitsplan. Dies umfasst die Fertigung der Einzelteile und die Montage. Im Rahmen des Paradigmas der flexiblen Automatisierung werden dazu flexible Fertigungszellen, flexible Fertigungssysteme und flexible Fertigungslinien

eingesetzt. Eine große Rolle spielt die Programmierung von numerisch gesteuerten Produktionsmaschinen und Roboter. Da es sich hier um die Erstellung einer detaillierten Folge von Befehlen zur Beschreibung einer Fertigungsaufgabe handelt, werden die NC– und Roboterprogrammierung der Arbeitsablaufplanung zugeordnet. Häufig werden die entsprechenden Systeme auch als Computer Aided Process Planning (CAP)-Systeme bezeichnet. In Ergänzung zur NC- und Roboterprogrammierung kann die Arbeitsablaufplanung durch weitere Analysen unterstützt werden; einige typische stellen wir im Folgenden vor.

Bei der Simulation von urformenden Verfahren werden vorwiegend gießtechnische Prozesse von Metallen und Kunststoffen betrachtet. Im Vordergrund steht das Füll- und Erstarrungsverhalten des Materials in der Gussform. Dabei werden detaillierte Prozess- und Randbedingungen wie Wärmefluss und Wärmehaushalt berücksichtigt. Die Simulationen ermöglichen eine Verbesserung der Formauslegung, der Speiser- und Anschnittstechnik sowie eine Optimierung des Gießprozesses. Ferner werden Vorhersagen über Gussfehler, den zu erwartenden Verzug und spätere Bauteileigenschaften abgeleitet, z. B. thermisch induzierte Eigenspannungen [Bär, Haasis 2003].

Dadurch lassen sich die Kosten für Nacharbeit und Ausschuss erheblich reduzieren.

Typische Anwendungen der Simulation umformender Fertigungsverfahren sind die Blechumformung (Tiefziehen), die Massivumformung (Schmieden) und das Innenhochdruckumformen. Entsprechende Verfahren werden in der Regel im Werkzeugbau eingesetzt. Die Simulationen geben Aufschluss über Materialverdünnungen, Rückfederungsverhalten sowie Falten- und Rissbildung. Zusätzlich liefern die Simulationen Informationen über die verbleibende Blechstärke nach der Bearbeitung. Diese fließt wiederum in die Festigkeits- und Crashberechnungen der später entstehenden Strukturen (z. B. Karosserien) ein. Neben den Rückschlüssen auf das Bauteil lassen sich auch Abschätzungen zum Werkzeugverschleiß treffen. Dies ermöglicht Aussagen zu den Standzeiten der Umformwerkzeuge und der zu erwartenden Instandhaltungskosten [Hoffmann, Nürnberg, Ersoy-Nürnberg, Herrmann 2007].

Arbeitsstättenplanung

Die Aufgabe der Arbeitsstättenplanung ist, die bauliche Struktur des Fertigungsbetriebes auf das Fertigungssystem und den damit verbundenen Materialfluss abzustimmen. Die Arbeitsstättenplanung gliedert sich in die vier Hauptaufgaben Bebauungsplanung, Anordnungsplanung, Planung der Produktionslinien und Gestaltung der Arbeitsplätze. In der modernen Arbeitsstättenplanung kommen Softwaresysteme durchgängig zum Einsatz. Diese Systeme bieten eine Vielzahl von Analyse- und Simulationsmöglichkeiten. Das zeitlich dynamische Verhalten der Produktionsprozesse und -systeme kann somit bereits in der Planungsphase berücksichtigt werden (dynamische Fabrikplanung) [Grundig 2013]. Aufgrund ihres großen Funktionsumfanges lassen sich diese Systeme nicht trennscharf den vier genannten Hauptaufgaben zuordnen. Die am Markt befindlichen Systeme decken mehrere bzw. alle Aufgaben ab.

Bebauungs- und Anordnungsplanung

Die Bebauungsplanung dient im Wesentlichen der Ermittlung des Flächenbedarfs sowie der Anordnung der

Gebäude auf dem Grundstück. Die Anordnungsplanung konkretisiert die innerbetrieblichen Strukturen des Produktionssystems. Zusammenfassend handelt es sich also um eine gestaltorientierte Planung mit dem Ziel, ein geeignetes Fabrik-Layout zu entwickeln, das allen funktionalen und wirtschaftlichen Ansprüchen der Fabrik gerecht wird. Im Vordergrund steht die Integration aller Gewerke, da neben den eigentlichen Produktionslinien und Materialflusssystemen auch die Komponenten der Versorgungstechnik, wie Lüftungstechnik und Energieversorgung betrachtet werden müssen.

Systeme für die Anordnungsplanung (Layout-Planung) ermöglichen die Erstellung dreidimensionaler Fabrikmodelle.

Die abzubildenden Objekte, wie Wände, Bearbeitungszentren, Hebebühnen etc. werden mit Hilfe der Softwaresysteme modelliert oder aus bestehenden CAD-Daten importiert. Des Weiteren stehen Bibliotheken mit detailliert modellierten Standardbausteinen zur Verfügung. Sie repräsentieren typische in einer Fabrik verwendete Objekte wie Betriebsmittel, Transportmittel und Lagerkomponenten. Auch so genannte Menschmodelle – realitätsnahe Modelle von Werkern, die Gestalt und Bewegungsverhalten abbilden – können in das Fabrikmodell integriert werden. Die Bausteine sind parametrisiert und können leicht dimensioniert werden. Dies erlaubt eine schnelle und maßgenaue dreidimensionale Darstellung.

Mit Hilfe der digitalen Fabrikmodelle werden Probleme im geplanten Layout bereits in der frühen Planungsphase identifiziert. Beispielsweise ermöglichen Bewegungsanimationen die Identifikation kollisionsfreier Förderstrecken von Fahrzeugen und weiteren Transportsystemen. Das verkürzt die Planungszeit und vermeidet später kostenintensive und zeitraubende Korrekturen.

Planung von Produktionslinien

Die Planung von Produktionslinien erfordert neben einer rein gestaltorientierten Sicht in Form der Layout-Planung auch eine Berücksichtigung der Kapazitäten, der Durchlaufzeit und der Materialpuffer. Ziel der Planung ist, die Maschinenanordnung und den Materialfluss so zu wählen, dass die Fertigungsaufträge effizient ausgeführt werden können. Um dies zu erreichen, werden verschiedene Anordnungen der Bearbeitungsstationen und Materialflusskonzepte durchgespielt. Dazu kommen Systeme zum Einsatz, die eine diskrete ereignisorientierte Simulation ermöglichen.

Arbeitsplatzgestaltung

Aufgabe der Arbeitsplatzgestaltung ist die Festlegung von Arbeitsräumen, die Anordnung von Betriebsmitteln und Materialflusskomponenten sowie die Sicherstellung der Energie-, Material- und Werkzeugversorgung. Des Weiteren werden Beleuchtung und Klimatisierung geplant. Zur Vermeidung von gesundheitsschädlichen Einflüssen werden anthropometrischen und arbeitsphysiologischen Aspekte berücksichtigt. Dies basiert auf Ergonomiesimulationen. Menschmodelle interagieren darin mit ihrer virtuellen Arbeitsumgebung. Geschlecht, Alter und Physiognomie der Menschmodelle werden über Parameter angegeben. Des Weiteren stehen in Bibliotheken Modelle zur Verfügung, denen unterschiedliche auf internationalen Standards beruhende physiognomische Durchschnittswerte zugeordnet sind. Ein Kinematikmodell, das die Grundlage der Bewegungsabläufe bildet, sowie Greifraum und Sichtfeld sind ebenfalls definiert. Die Menschmodelle werden in die virtuelle Produktionsumgebung integriert. Die Bewegungsabläufe, beispielsweise Montagevorgänge, werden mit Hilfe von vorgefertigten Greif- und Bewegungsmakros simuliert und bewertet. Die Bewertung erfolgt nach Standardmethoden der Ergonomieuntersuchung.

Produktionslogistik – Systeme zur Materialflussplanung

Die wirtschaftliche Bereitstellung von Materialien in der richtigen Menge und Qualität zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist die Aufgabe der Produktionslogistik [Martin 2011]. Sie umfasst den gesamten Materialfluss in einem Fertigungsbetrieb vom Wareneingang bis zum Versand sowie der damit verbundenen Ausrüstung inkl. der Erstellung der Steuerungssoftware. Die entsprechenden IT-Systeme gliedern sich in Systeme zur statischen und dynamischen Untersuchung [Kühn 2006].

Systeme zur statischen Untersuchung von Materialflüssen

Für eine schnelle und relativ einfache Überprüfung der Materialtransporte eignen sich Systeme zur statischen Untersuchung der Materialflüsse. Statisch bedeutet, die Materialtransporte werden hinsichtlich ihrer Menge und Richtung untersucht, ihr zeitliches Verhalten wird jedoch nicht berücksichtigt. Die Intensität der Materialtransporte kann mit Hilfe von Materialflussmatrizen erfasst und mit Pfeilen in Flussdiagrammen (Sankey-Diagramm) beschrieben werden.

Die Systeme zur statischen Untersuchung von Materialflüssen verfügen über Algorithmen zur Optimierung der Maschinenaufstellung und der Transportwege. Arbeitspläne, Lagervorschriften für das Material, Förderhilfsmittel und Informationen zur Verpackung werden dabei berücksichtigt.

Systeme zur dynamischen Untersuchung von Materialflüssen

Für die exakte Auslegung der Produktionslogistik ist eine statische Betrachtung nicht ausreichend. Es ist eine zeitlich dynamische Untersuchung mit Hilfe einer diskreten ereignisorientierten Simulation notwendig. Sie berücksichtigt zu welchen Zeitpunkten die Materialflüsse auftreten. Zur dynamischen Untersuchung von Materialflüssen werden Modelle von Logistik- und Produktionssystemen erstellt, die das zeitliche Verhalten der Systeme abbilden. Sie ermöglichen u.a. die Planung von Taktzeiten, Materialpuffern und Maschinenauslastungen. Engpässe innerhalb der Maschinenauslastung können erkannt und unterschiedliche Lösungsvarianten durchgespielt werden. Die Modellerstellung erfolgt in diesen Systemen in der Regel in einer 2D-Umgebung. Bearbeitungsstationen und Fördersysteme werden durch parametrisierte Bausteine symbolisiert.

Über die Parameter der Bausteine oder freiprogrammierbarer Makros wird das Verhalten des Systems modelliert. In der Simulation durchlaufen so genannte bewegliche Einheiten (BE) das Modell. Sie repräsentieren Materialien, Werkstücke und Baugruppen. Die Art und Anzahl der BE oder auch ihre Verweildauer in den einzelnen Bausteinen des Modells (Bearbeitungs- und Montagestationen, Puffer, Förderstrecken etc.) wird vom System erfasst, ausgewertet und in Diagrammen oder Tabellen dargestellt. Diese Simulationen können von wenigen Sekunden bis hin zu mehreren Tagen dauern, je nachdem wie lang der Zeitraum ist, der bei der dynamischen Untersuchung betrachtet werden soll.


Literatur

Bär, Thomas; Haasis, Siegmar.: Prozessplanung,r Produktionsmodellierung und -simulation – ein Überblick. In: Bayer, J.;r Collisi, T.; Wenzel, S. (Hrsg.): Simulation in der Automobilproduktion.r Berlin, Heidelberg : Springer-Verlag, 2003.

Gausemeier, Jürgen; Plass, Christoph: Zukunftsorientierte Unternehmensgestaltung – Strategien, Geschäftsprozesse und IT-Systeme für die Produktion von morgen. 2. Auflage. München : Carl Hanser Verlag, 2013.

Grundig, Claus Gerold: Fabrikplanung,r Planungssystematik – Methoden – Anwendungen. 4. Auflage, München, Wien : Carl Hanser Verlag, 2013.

Hoffmann,r Hartmut; Nürnberg, Gerald; Ersoy-Nürnberg, Kivilcim; Herrmann, Gernot: A Newr Approach to Determine the Wear Coefficient for Wear Prediction of Sheet Metalr Forming Tools. In: Production Engineering – Research and Development. 1 (2007), Nr. 4, S. 357-363.

Kühn,r Wolfgang: Digitale Fabrik – Fabriksimulation für Produktionsplaner. München, Wien : Carlr Hanser Verlag, 2006.

Martin, Heinrich: Transport- und Lagerlogistik,r Planung, Aufbau und Steuerung von Transport- und Lagersystemen. 8. Auflage, Wiesbaden : Vieweg Verlag, 2011

 

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