Wilhelm Hummeltenberg (unter Mitarbeit von Elke Lay)
Organisationen sind sozio-technische Systeme. Sie können sich wie Menschen intelligent oder unintelligent verhalten. Organisationale Intelligenz (OI) bestimmt sich nicht aus der Summe der Intelligenz ihrer Mitglieder, sondern aufgrund ihres Zusammenwirkens. Die Entwicklung von OI ist eine zentrale Aufgabe des Wissensmanagements.
Organisationale Intelligenz
Intelligenz wird Menschen und anderen Lebewesen, aber auch Artefakten (Maschinen, Prozesse, Programme etc.) und Organisationen zugeschrieben. Ein Mensch ist intelligent, wenn er
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komplexe Informationen rasch erfassen (Wahrnehmung und Speicherung),
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auf Informationen adäquat reagieren und die Erkenntnisse umsetzen (Flexibilität und Kreativität) sowie
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rasch lernen und weitere Konsequenzen ziehen (Lernfähigkeit und Kreativität)
kann. Gleiches gilt für Organisationen. Im Gegensatz zum Menschen aber sind Organisationen sozio-technische Systeme mit je nach Größe und Zweckbestimmung unterschiedlicher Komplexität:
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Bei ihnen besteht kein zwangsläufiger Zusammenhang zwischen der Intelligenz ihrer Mitglieder und der organisationalen Intelligenz.
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Ihr Charakter und ihre Lernfähigkeit (Organisationales Lernen) werden durch die Kultur und Motivation ihrer Mitglieder geprägt.
Organisationale Intelligenz resultiert also nicht aus der algebraischen Summe der Intelligenz ihrer Mitglieder und sonstigen Artefakte, sondern entsteht erst durch das zielorientierte Zusammenwirken ihrer Träger. Dies verdeutlicht die systemische Sicht in Abbildung 1.
Abb. 1: Elemente organisationaler Intelligenz [Hummeltenberg 2008, S. 44]
Die Elemente in Abbildung 1 beschreiben folgende funktionalen Fähigkeiten:
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Element |
Funktionale Fähigkeit |
1 |
Menschen, Maschinen, Prozesse, Software |
Träger organisationaler Intelligenz |
2 |
Wahrnehmung / Monitoring |
zielgerichtet Informationen über die Umwelt und sich selbst sammeln und verarbeiten |
3 |
Interpretieren/ Verstehen |
beobachtbare Fakten und Phänomene in Beziehung setzen und im Kontext deuten |
4 |
Entscheidung/ Aktion |
mögliche Aktionen in ihren Konsequenzen bewerten, Auswahl treffen und umsetzen |
5 |
Wissen/ Gedächtnis |
Wissen identifizieren, erwerben, bewerten, nutzen und verwalten |
6 |
Lernen |
Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse neu- oder weiterentwickeln |
7 |
Kommunizieren/ Kooperieren |
Ideen, Informationen, Wissen und Meinungen kommunizieren und interagieren |
Tabelle1: Funktionale Fähigkeiten für organisationale Intelligenz
„Wahrnehmung/Monitoring“ und „Entscheidung/Aktion“ finden sich ebenso in den Phasen Intelligence, Design, Choice and Review des Grundmodells von Entscheidungsprozessen nach Simon (Simon 1979), auf dem verschiedene Arten von Entscheidungsunterstützungssystemen gründen. „Wahrnehmung/Monitoring“ und „Interpretieren/Verstehen“ werden durch Business Intelligence unterstützt. Das Management des Elements „Wissen/Gedächtnis“ beschreiben [Probst, Raub, Romhardt 2006] im Bausteinmodell des Wissensmanagements. „Kommunizieren / Kooperieren“ stellen symbiotische Disziplinen dar, die durch Groupware, Wissensportale, Web 2.0, Web 3.0 und die damit einhergehenden Weiterentwicklungen von Business Intellligence-Systemen in den Versionen Business Intelligence 2.0 und Business Intelligence 3.0 unterstützt werden. Bestreben des Decision Engineering ist, durch eine durchgängige IT-Unterstützung von Entscheidungsprozessen die Schnittstellen zwischen „Interpretieren / Verstehen“ und daraus ggf. abzuleitenden Entscheidungen / Aktionen zu überbrücken und etwaige Lücken zu schließen.
Literatur
Hummeltenberg, W.: Disziplinen von Business Intelligence. In: von Kortzfleisch,H.F.O.; Bohl, O. (Hrsg.): Wissen, Vernetzung, Virtualisierung, Lohmarr – Köln 2008, S. 41-56
Probst, G.; Raub; S.; Romhardt, K.: Wissen managen. 5. Aufl. Wiesbaden 2006.
Simon,r H.A.: Rational Decision Making in Business Organizations. Ther American Economic Review 69(1979)4, 493.513.