Bibtex

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  Year    = "2019", 
  Title    = "Materialwirtschaft", 
  Author    = "", 
  Booktitle    = "Gronau, Norbert ; Becker, Jörg ; Kliewer, Natalia ; Leimeister, Jan Marco ; Overhage, Sven (Herausgeber): Enzyklopädie der Wirtschaftsinformatik – Online-Lexikon",
  Publisher    = "Berlin : GITO",
  Url    = "https://wi-lex.de/index.php/lexikon/inner-und-ueberbetriebliche-informationssysteme/sektorspezifische-anwendungssysteme/produktionsplanungs-und-steuerungssystem/materialwirtschaft/", 
  Note    = "[Online; Stand 21. November 2024]",
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Materialwirtschaft

Wilhelm Dangelmaier


Die Materialwirtschaft versorgt unter Einhaltung gewisser Qualitätsstandards ein Produktionssystem über alle Produktionsstufen vom Lieferanten bis zum Kunden mit den erforderlichen Verbrauchsfaktoren. Dabei wird unter Berücksichtigung vorhandener Faktoren der Materialbedarf qualitativ und quantitativ definiert und darauf aufbauend die Beschaffung am Bedarfsort und zum Bedarfstermin veranlasst.

Grundlagen der Materialwirtschaft

Die Materialwirtschaft umschließt alle Prozesse, die sich mit der Bereitstellung der für die Produktion erforderlichen Verbrauchsfaktoren befassen [Gabler 1997]. Die in dieser Domäne verfolgten sachlichen Ziele der Materialwirtschaft sind vor allem Sicherungsziele [Eschenbach 1996]:

  • Sicherung der Qualität: Die qualitativen Anforderungen an Inputgüter und –leistungen beeinflussen maßgeblich die Beschaffungs- und die Produktionskosten. Sie sind ihrerseits von den Qualitätsanforderungen an die Outputgüter und –leistungen abhängig.

  • Sicherung der Quantität: Die Lieferbereitschaft betrifft die termin- und mengengerechte Bereitstellung anhand von Lager-, Leistungs- und/oder Beschaffungskapazitäten.

  • Sicherung der Flexibilität: Das Anpassungsvermögen wird über die Bandbreite definiert, innerhalb derer Schwankungen und Risiken von Bedarf und Angebot bewältigt werden können.

  • Sicherung der Wirtschaftlichkeit: Die Wirtschaftlichkeit ist in erster Linie eine Frage der Beschaffungskosten und der Minimierung des in den Vorräten gebundenen Kapitals. Gleichrangig damit ist aber die Optimierung aller mit der Materialwirtschaft verbundenen Prozesse zu nennen (materialwirtschaftliches Optimum [Grochla 1990]).

Um diese Ziele bzw. das materialwirtschaftliche Optimum zu erreichen, sind drei interdependente Teilaufgaben zu durchdringen: Materialbedarfsermittlung, Materialbeschaffung sowie Lagerhaltung und Transport [Glaser 1993].

Materialbedarfsermittlung

Der qualitative Materialbedarf liegt bei gegebenem Produktionsprogramm nach Art und Menge weitgehend fest. Vielfach lassen aber Konstruktion und Produktion Spielräume für alternative Verbrauchsfaktoren oder Verbrauchsfaktorkombinationen offen. Der qualitative Materialbedarf wird von Konstruktion und Produktionsplanung in Erzeugnisstrukturen für ein einzelnes Erzeugnis bzw. in Gozintographen für die in einem Produktionsprogramm enthaltenen Erzeugnisse beschrieben und als Bedarf an Rohstoffen, Einzelteilen und Baugruppen, die zur Erzeugung des Primärbedarfs benötigt werden, von der Sekundärbedarfsrechnung ausgewiesen.

Der quantitative Bedarf zukünftiger Produktionsperioden kann programm- oder verbrauchsorientiert bestimmt werden [Glaser 1993]. Programmorientierte Ansätze gehen vom zukünftigen Produktionsprogramm aus und ermitteln beginnend mit dem Primärbedarf den Materialbedarf auf der Grundlage von Gozintographen. Dafür wird in einer Brutto-Netto-Bedarfsrechnung je Verbrauchsfaktor der Bruttobedarf als Menge je Zeitabschnitt über alle Verwendungen kumuliert, anschließend dem verfügbaren (Lager-) Bestand gegenüber gestellt und der aus diesem Vergleich resultierende Nettobedarf ggf. nach Termin- und/oder Mengenkriterien zu Losen gruppiert. Nach einer Vorlaufverschiebung wird daraus anschließend wieder der Bruttobedarf für die im technologischen Ablauf vorausgehenden Produktionsstufen über den Produktionskoeffizienten berechnet. Verbrauchsorientierte Ansätze prognostizieren den Materialbedarf der Zukunft auf Basis des Materialverbrauchs der Vergangenheit. Damit wird der Bruttobedarf nicht über Erzeugnisstrukturen berechnet. Aber auch hier werden nach Vorliegen des prognostizierten Bedarfs über die Bestandsreichweite Beschaffungs- bzw. Produktionszeitpunkte und –mengen berechnet. Davon abgeleitet kann jetzt ein Bruttobedarf für die vorangehenden Produktionsstufen anhand von Erzeugnisstrukturen ermittelt oder aber erneut verbrauchsorientiert aufgesetzt werden (siehe Sekundärbedarfsermittlung).

Materialbeschaffung

Die Materialbeschaffung hat die erforderlichen Mengen aller Inputgüter und –leistungen spätestens zu Produktionsbeginn bereitzustellen. Bei einer Beschaffung zeitgleich mit der Bereitstellung wird von einer Synchronisation („Just in Time“), andernfalls von einer Emanzipation von Beschaffung und Produktion gesprochen. Diese Entscheidung hängt bei einer gewinnmaximierten Produktion von der zeitlichen Bedarfsstruktur, den mit den Beschaffungsalternativen verbundenen Kosten und Risiken sowie von der Beschaffungsmarktsituation ab. Erscheint hiernach die Beschaffung auf Vorrat grundsätzlich als vorteilhaft, stellt sich die Frage nach optimalen Bestellmengen und –zeitpunkten. Die in diesem Zusammenhang zu schaffenden vertraglichen Voraussetzungen und die vorausgehende Marktbeobachtung und –forschung sind ebenso ein Teil der Beschaffungsaufgabe wie die Make or buy-Entscheidung [Männel 1981], die die vertikale Produktions- und Leistungstiefe eines Unternehmens festlegt [Picot 1991] und – vor allem im Hinblick auf die sich weiter entwickelnden Kernkompetenzen eines Unternehmens – ständig auf ihre Zweckmäßigkeit zu überprüfen ist. Dabei spielt auch die Identifikation von (Schlüssel-)Lieferanten, deren Bewertung und Weiterentwicklung sowie die Entscheidung für oder gegen „Single soucing“ eine entscheidende Rolle [Koppelmann 1996].

Lagerhaltung und Transport

Jede Beschaffung, die Beschaffungsort und/oder –zeitpunkt abweichend von Bedarfsort und –termin festlegt, ist zwangsläufig mit Transport und/oder Lagerhaltung verbunden [Tempelmeier 1992]. Dabei entkoppeln Lager Prozesse, um produktionsstufenweise optimale Produktionsbedingungen zu ermöglichen und gleichzeitig Zugangs-, Abgangs- und Bestandsrisiken von der Produktion fernzuhalten. In diesem Kontext meint Transport in zunehmendem Maße auch die Entsorgung von Abfällen, um so den Kreis zu einem vollständigen Materialmanagement zu schließen [Eschenbach 1996].


Literatur

Eschenbach, Rolf: Materialwirtschaft. In: Kern, Werner; Schröder, Hans-Horst; Weber, Jürgen (Hrsg.): Handwörterbuch der Produktionswirtschaft. 2. Aufl., Stuttgart : Schäffer-Poeschel, 1996, S. 1193 – 1204.

Gabler Wirtschaftslexikon. 14. Aufl., 1997, S. 2572.

Glaser, Horst: Beschaffungsplanung und –kontrolle. In: Wittmann, Waldemar; Kern, Werner; Köhler, Richard; Küpper,r Hans-Ulrich; Wysocki, Klaus von (Hrsg.): Handwörterbuch derr Betriebswirtschaft. 5. Aufl., Stuttgart : Schäffer-Poeschel, 1993, S. 347 – 362.

Grochla, Erwin: Grundlagen der Materialwirtschaft. 3. Aufl., Wiesbaden 1990.

Koppelmann, Udo: Materialbeschaffung. In: Kern, Werner; Schröder, Hans-Horst; Weber, Jürgen (Hrsg.): Handwörterbuch der Produktionswirtschaft. 2. Aufl., Stuttgart : Schäffer-Poeschel, 1996, S. 1183 – 1192.

Männel, Wolfgang: Eigenfertigung oder Fremdbezug. 2. Aufl., Stuttgart : Poeschel, 1981.

Picot, Arnold: Ein neuer Ansatz zur Gestaltung der Leistungstiefe. ZfbF – Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung 43 (1991), Nr. 4, S. 336 – 357.

Tempelmeier, Horst.: Material-Logistik. 2. Aufl., Berlin : Springer, 1992.

 

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