Wolfram Pietsch, Georg Herzwurm
Ein Geschäftsmodell ist eine vereinfachte, allgemeine Beschreibung der Art und Weise, wie eine Geschäftstätigkeit funktioniert oder funktionieren kann und unter anderem hinsichtlich der Wertschöpfung erfolgreich ist. Idealtypische Geschäftsmodelle, die Software und Services zum Gegenstand haben, sind das Lizenzgeschäft, Lizenz plus Service, Projektgeschäft und das Systemservice-Geschäft.
Geschäftsmodelle für Software- und Service-Produkte
Der Wandel der IT-Anbieter vom IT-Verkäufer zum IT-Dienstleister und Netzwerkpartner erzwingt eine Abkehr von herkömmlichen Geschäftsmodellen und eine Neuausrichtung innerhalb der Wertschöpfungskette. Somit können neue Preis-, Service- und Geschäftsmodelle durch das Aufbrechen der Wertschöpfungskette entstehen. In aktuellen Diskussionen (z.B. auf der Multikonferenz der Wirtschaftsinformatik 2012 [Hess 2012b]) werden Geschäftsmodelle als Thema der Wirtschaftsinformatik verstanden. Dort werden Geschäftsmodelle zumeist in einzelne Komponenten zerlegt, beispielsweise nach [Wirtz 2013] in neun, nach [Bieger et al. 2011] in sechs und nach [Osterwalder et al. 2011] in neun Komponenten.
In IT-Unternehmen existieren häufig verschiedene Sichtweisen auf die IT. Unabhängig von der Perspektive und Betrachtungsebene durchläuft jedes Produkt mehrere Entwicklungsstufen. Um verschiedene Produkte vergleichen zu können, sollten die zugehörigen Perspektiven und Aufgabenkontexte idealtypisch systematisiert werden, z.B. als Entwicklung, Betrieb, Anwendung und Support. Diese Stufen werden nicht nur einmal, sondern wiederholend mit jeder Auslieferung durchlaufen. Weiter sind unterschiedliche Betrachtungs- und Architektureben zu berücksichtigen, von den Daten, die als Produkt vermarktet werden können, bis hin zu Business Services, die einen unmittelbaren Beitrag zur Wertschöpfung leisten. Kombiniert man die Stufen mit den Betrachtungsebenen, ergibt sich ein Polarkoordinatensystem, das als ein Kompass für die Positionierung von IT-Produkten genutzt werden kann [Herzwurm, Pietsch 2009].
Mit diesem Kompass werden im Folgenden die wesentlichen Geschäftsmodelltypen, die sich in der Praxis bewährt haben, aufgeschlüsselt [vgl. Herzwurm, Pietsch 2009]. Eine Kombination von verschiedenen Modellen ist in der Praxis üblich, jedoch im Sinne der Typologie gefährlich, da sie sich hinsichtlich der Voraussetzungen und des Wirkungsgefüges unterschiedlich, ja ggfs. auch inkompatibel sind. So ist ein Maßanzug auch ein anderes Produkt als ein Anzug von der Stange.
Geschäftsmodell-Typologie für Software und Service-Produkte
I) Geschäftsmodell Lizenzgeschäft
Steht die Vermarktung standardisierter Software-Systeme und Services im Vordergrund, die beim Kunden auf vordefinierte Weise eingesetzt werden, wird das Geschäft durch Nutzungsrechte bzw. Lizenzen begründet. Wesentlich für den Erfolg des reinen Lizenzgeschäftes ist der Erfolg auf einem Massenmarkt. Ein Massengeschäft ist allerdings nur möglich, wenn Anpassungen ausschließlich und in Eigenverantwortung der Anwender erfolgen, wie z.B. bei Bürokommunikationswerkzeugen (Office-Produkte) üblich.
Abb. 1: Positionierung des Geschäftsmodells Lizenzgeschäft
II) Geschäftsmodell Lizenz plus (ergänzender) Service
Das Geschäftsmodell Lizenz plus Service ist dann nachhaltig, wenn das IT-Produkt ohne weitere Funktionen (plus Service) nicht am Massenmarkt bestehen würde und dadurch auch der Grad der Individualisierung steigt (keine reine Standardsoftware). Deshalb bieten neben dem Lizenzgeschäft fast alle Anbieter von IT-Produkten auch ergänzende Dienstleistungen wie Schulungen und kleinere Anpassungen an.
Abb. 2: Positionierung des Geschäftsmodells Lizenz plus Service
III) Geschäftsmodell Projektgeschäft
Die kundenindividuelle Entwicklung und Pflege von Software erfolgt in der Software-Industrie üblicherweise in Form von Projekten. Während das IT-Produkt beim Lizenzgeschäft durch das IT-System selbst begründet wird, bestimmt beim Projektgeschäft das Projekt das Produkt. Das IT-Projektgeschäft wird durch Dienstleistungen in Form von zwei Teil-Geschäftsmodellen, der IT-Projektdurchführung und der IT-Projektbegründung bestimmt.
Abb. 3: Projektgeschäft
IV) Geschäftsmodell IT-Systemservice-Geschäft
Im Mittelpunkt der bisher dargestellten Geschäftsmodelle steht die Entwicklung und Einführung von IT-Systemen und weniger deren Betrieb. Im Zuge des fortschreitenden IT-Outsourcings gewinnt der IT-Betrieb als Geschäftsmodell zunehmend an Bedeutung. Schon länger stellen spezialisierte Anbieter Rechenzentren für Nutzung durch Externe zur Verfügung und vermarkten diese IT-Dienstleistung als Produkt oft in Kombination mit Beratungsdienstleistungen. Durch den konsequenten Einsatz von Webtechnologien sind diese Dienste nicht mehr wie beim klassischen Rechenzentrum an eine spezifische technische Infrastruktur (Rechenzentrum, Kommunikationsmittel) gebunden, sondern können über das Internet nahezu beliebig verfügbar gemacht werden. Cloud Computing ist eine Ausprägung des IT-Systemservice-Geschäfts.
Abb. 4: IT-Systemservicegeschäft
Literatur
Bieger, Thomas; zu Knyphausen-Aufseß, Dodo; Krys, Christian: Innovative Geschäftsmodelle, Springer: Berlin, Heidelberg 2011.
Herzwurm, Georg; Pietsch, Wolfram: Management von IT-Produkten. dpunkt : Wiesbaden 2009.
Hess, Thomas: Geschäftsmodelle als Thema der Wirtschaftsinformatik, Arbeitsbericht No. 1/2012, Institut für Wirtschaftsinformatik und Neue Medien, Fakultät für Betriebswirtschaft, Ludwig-Maximilians-Universität München2012a.http://hdl.handle.net/10419/60060(Abruf am 20.09.2016).
Hess, Thomas: Geschäftsmodelle als Thema der Wirtschaftsinformatik. Workshop auf der Multikonferenz der Wirtschaftsinformatik 2012, Braunschweig 2012b.
Osterwalder, A.; Pigneur, Y.; Wegberg, J. T. A.: Business Model Generation: Ein Handbuch für Visionäre, Spielveränderer und Herausforderer, 2011.
Wirtz, Bernd W.: Business Model Management: Design – Instrumente – Erfolgsfaktoren von Geschäftsmodellen. Gabler Verlag: Wiesbaden 2013