Die Entscheidungstheorie nutzt Modelle zur Beschreibung von Situationen, in denen ein oder mehrere Entscheidungsträger durch Anwendung rationaler Entscheidungsregeln und eines Wertesystems sich zu einer bestimmten Handlung entschließen.
Grundlagen der Entscheidungstheorie
Komplexe Entscheidungen überfordern oftmals den sogenannten „gesunden Menschenverstand“ der Entscheidungsträger, da zu viele Aspekte und Informationen simultan zu beachten sind. Ein Entscheidungsproblem ist durch das Vorhandensein von wenigstens zwei Alternativen (Handlungsalternativen, Entscheidungsmöglichkeiten, Aktionen, Strategien) gekennzeichnet, zwischen denen wenigstens ein Entscheidungsträger (z.B. Individuum, Unternehmen, Staat) eine Entscheidung (Wahl, Auswahl) treffen kann oder muss [Dinkelbach/Kleine, 1996]. Der Entscheidungsfindungsprozess ist entsprechend die logische und zeitliche Abfolge der Analyse eines Entscheidungsproblems, in dem durch entscheidungslogisches Verknüpfen von faktischen (objektiven) und wertenden (subjektiven) Entscheidungsprämissen eine Bewertung der verfügbaren Alternativen und damit eine Lösung des Entscheidungsproblems erreicht wird. Weil Entscheidungen notwendigerweise auf subjektiven Erwartungen, die nur in bestimmten Grenzen überprüfbar sind, und auf subjektiven Zielen und Präferenzen des Entscheidungsträgers beruhen, gibt es oftmals keine objektiv richtigen Entscheidungen. Vielmehr gilt es, die subjektiven Erwartungen und Präferenzen des Entscheidungsträgers bei der Entscheidungsunterstützung angemessen zu berücksichtigen.
Neben der reinen Logik der Entscheidung werden die deskriptive und die präskriptive Entscheidungstheorie unterschieden. Die deskriptive (empirisch-kognitive) Entscheidungstheorie, ein Teilgebiet der Psychologie, untersucht anhand tatsächlich beobachteten Verhaltens die Art und Weise, in der Entscheidungen in der Realität getroffen werden. Die präskriptive (normative) Entscheidungstheorie hingegen entwickelt rationale Wahlmaximen zur Beratung des Entscheidungsträgers [Eisenführ/Weber, 1994]. Dabei setzt das Rationalitätspostulat voraus, dass sich der Entscheidungsträger entsprechend eines konsistenten widerspruchsfreien Zielsystems verhält [Laux, 2005].
Entscheidungsmodelle
Die Entscheidungstheorie bildet Modelle zur Beschreibung von Situationen, in denen ein oder mehrere Entscheidungsträger durch Anwendung einer rationalen Entscheidungsmaxime und eines Wertesystems sich zu einer bestimmten Handlung entschließen, die eine neue Situation erzeugt [Gäfgen, 1974]. Als Modell wird dabei die zweckorientierte vereinfachte Abbildung der Realität bezeichnet [Bamberg et al., 2008, Schneeweiß, 2002], wobei Beschreibungs-, Erklärungs- (bzw. Prognose-) sowie Entscheidungs- (bzw. Planungs-) Modelle unterschieden werden. Entscheidungsmodelle umfassen im wesentlichen Ziele, Alternativen (Handlungsweisen, Aktionen) und Umweltzustände (Informationen und Bewertungen), um einerseits die Folgen der Entscheidung analytisch herzuleiten und sie andererseits subjektiv zu bewerten [French, 1986, Götze/Bloech, 1995]. Dazu muss ein geeignetes Modell widerspruchsfrei sein, Realitätsbezug haben, Informationen enthalten und prüfbar sein. Tabelle 1 zeigt mögliche Ausprägungen von Entscheidungssituationen, für die jeweils spezifische Methoden entwickelt wurden [Götze/Bloech, 1995].
Tab. 1: Merkmale von Entscheidungsmodellen
Vorgehen
Zur Vorbereitung und Lösung komplexer betrieblicher Entscheidungsprobleme werden zahlreiche Ansätze diskutiert, die im wesentlichen die in Abbildung 1 gezeigten vier Schritte umfassen [Zäpfel, 1989].
Abb. 1: Allgemeines Vorgehen zur Lösung von Entscheidungsproblemen
Kritik und neuere Ansätze
Bereits [Gäfgen, 1974] weist darauf hin, dass wirtschaftswissenschaftliche Entscheidungsmodelle lediglich einer formalen Rationalität folgen, die das Zustandekommen einer Lösung bei einem widerspruchsfreien Zielsystem beschreibt. Dabei steht das ökonomische Prinzip im Vordergrund, repräsentiert durch den homo oeconomicus, der entweder mit geringstmöglichem Mitteleinsatz ein vorgegebenes Ziel oder aber mit gegebenem Mitteleinsatz möglichst viel zu erreichen sucht. Auf diese Weise sollen Entscheidungsmodelle unabhängig vom psychologischen Handlungstypen anwendbar sein. Allerdings zeigt sich in der betrieblichen Praxis, dass die Unterstellung des ökonomischen Prinzips als einzigem Antrieb der Entscheidungsträger zu stark vereinfacht. So werden Aspekte der Qualität, der Arbeitssicherheit oder der nachhaltigen Entwicklung ebenfalls berücksichtigt. Daher werden oft Methoden der multikriteriellen Optimierung eingesetzt. In der betrieblichen Praxis werden zudem meist Entscheidungsgremien gebildet, um die Einschätzungen der von der Entscheidung betroffenen Anspruchsgruppen („stakeholdern“) zu berücksichtigen.
Das Operations Research entwickelt quantitative Modelle und Methoden zur Entscheidungsunterstützung. So gibt es in der Gesellschaft für Operations Research (GOR) eine Arbeitsgruppe „Entscheidungstheorie und –praxis“ (https://gor.uni-paderborn.de/Members/AG08/), die sich mit aktuellen Ansätzen befasst.
Literatur
Bamberg, Günter; Coenenberg, Adolf G.; Krapp, Michael: Betriebswirtschaftliche Entscheidungslehre. München: Vahlen, 2008.
Dinkelbach, Werner; Kleine, Andreas: Elemente einer betriebswirtschaftlichen Entscheidungslehre. Heidelberg: Springer, 1996.
Eisenführ, Franz; Weber, Martin: Rationales Entscheiden. 2, Auflage,Heidelberg: Springer, 1994.
French, Simon: Decision Theory – an introduction to the mathematics of rationality. Ellis Horwood Ltd., 1986.
Gäfgen, Gérard: Theorie der wirtschaftlichen Entscheidung – Untersuchungen zur Logik und Bedeutung des rationalen Handelns. 3. Auflage, Tübingen: Mohr, 1974.
Götze, Uwe; Bloech, Jürgen: Investitionsrechnung, Modelle und Analysen zur Beurteilung von Investitionsvorhaben. 2. Auflage, Berlin: Springer Verlag, 1995.
Laux, Helmut: Entscheidungstheorie. 6. Auflage, Heidelberg: Springer, 2005.
Schneeweiß, Christoph: Einführung in die Produktionswirtschaft. Heidelberg, New York: Springer, 2002.
Zäpfel, Günther: Strategisches Produktions-Management, Berlin, New York: de Gruyter, 1989