HERAKLIT ist ein Framework zur Modellierung rechnerintegrierter Systeme, das den aktuellen und zukünftigen Anforderungen der Modellierung gerecht wird. Dafür bietet HERAKLIT substanziell weitreichende Konzepte, Methoden und Best Practices.
DAS HERAKLIT – Framework dient der Modellierung rechnerintegrierter Systeme aus der Perspektive der Anwendungen. HERAKLIT basiert auf bewährten theoretischen Konzepten der Prädikatenlogik, der (universellen) Algebra und den Petri-Netzen. HERAKLIT-Modelle sind aus einem Guss:
• Methodisch: Ein HERAKLIT-Modell unterscheidet architektonische, statische und dynamische Aspekte („Säulen“), die jeweils mit bewährten Konzepten der angewandten und der theoretischen Informatik beschrieben werden.
• Praktisch: Auf der Basis vielfacher Best Practices, umfangreicher Fallstudien und rechnergestützten Verifikationstechniken entstehen verständliche, inhaltsstarke und analysierbare Modelle.
Die drei Säulen betreffen zunächst unabhängig voneinander jeweils spezifische Fragestellungen und Methoden des Entwurfs und der Analyse von Systemen. Im Begriff des HERAKLIT-Moduls bilden sie dann ein integriertes Konzept.
Architektur
Ein reales ”großes“ System S ist im Allgemeinen aus Teilsystemen S1, …, Sn komponiert, die jeweils als Modul aufgefasst werden und untereinander zusammenhängen. Das System S schreibt man dann gern in der Form S = S1 • · · · • Sn, wobei ”•“ ein Kompositionsoperator für Module ist.
• Das Innere eines Moduls hat eine beliebige Struktur, typisch sind Petrinetze.
• Die Schnittstelle eines Moduls ist zweigeteilt und besteht aus beliebig gelabelten Gates.
• Zur Komposition von Modulen S1, …, Sn werden identisch gelabelte Gates verschmolzen. Der Kompositionskalkül stellt sicher, dass man S = S1 • · · · • Sn klammerfrei schreiben kann.
Beispiel: Abbildung 1 gibt eine grobe Sicht auf einen Schadensfall eines Autoversicherers; dabei werden die beiden Module A und V komponiert.
Abb. 1: die Komposition der Module A und V mit ihren Schnittstellen
Schlagwortartig formuliert: HERAKLIT-Architektur = Module + Komposition + Verfeinerung.
Statik
In einem großen System sind vielerlei Objekte miteinander verwoben, darunter Daten, Gegenstände, Personen, Handlungen, Produkte, Teile, Kunden, Rechte, Pflichten, Vermögenswerte, Schulden etc. Dabei geht es sowohl um körperliche als auch immaterielle Dinge, die für das Verständnis beide wichtig sind. HERAKLIT verwendet dafür Begriffe aus den Grundlagen der Prädikatenlogik:
• In einer Relationalstruktur fasst HERAKLIT Objekte und Operationen auf Objekten aller Art zusammen: individuelle Gegenstände und komponierte Objekte etc.
• Eine Signatur ist eine rein symbolische Darstellung mehrerer Relationalstrukturen zugleich.
Beispiel: Die Relationalstruktur Unfall hat Mengen von Fahrern, Autos, etc. Zwei Fahrer, zwei Autos, etc. werden explizit genannt (Abbildung 2).
Abb. 2: die Relationalstruktur Unfall
Die Signatur für die Relationalstruktur Unfall enthält für jede Menge der Relationalstruktur ein Symbol. Mit diesen Symbolen werden die Typen von Funktionssymbolen und von Variablen beschrieben (Abbildung 3). Diese Signatur kann nun auch für andere Relationalstrukturen und damit andere Unfälle, verwendet werden.
Abb. 3: die Signatur zur Relationalstruktur Unfall
Schlagwortartig formuliert:
HERAKLIT-Statik = Signaturen + Relationalstrukturen + mehrere Interpretationen.
Dynamik
Ausgangspunkt zur Beschreibung der Dynamik sind lokale Zustände und Schritte. Dabei beschreibt ein Schritt, wie in einem Teilsystem einige lokale Zustände verlassen und andere erreicht werden. Dynamik entsteht auf drei Ebenen:
• Ein einzelner Ablauf ist ein einzelnes Verhalten eines Moduls.
• Ein System charakterisiert eine Menge von Abläufen. Objekte und Operationen werden in einer Relationalstruktur gefasst. Zum symbolischen Umgang mit unendlich großen Mengen wird eine passende Signatur verwendet, um Terme mit Variablen zu bilden.
• Ein Schema beschreibt eine Menge von Systemen. Technisch basiert ein Schema auf einer Signatur, ist also eine rein symbolische Darstellung. Jede Interpretation dieser Signatur liefert ein System.
Abb. 4 zeigt einen Ablauf des obigen Unfall-Moduls. Die einzelnen Schritte (Petrinetz-Transitionen) sind partiell geordnet.
Abb. 4: ein Ablauf
Abb. 5: ein Schema
Schlagwortartig formuliert:
HERAKLIT-Dynamik = Schritte + Abläufe + Lokalität.
Best Practice
HERAKLIT vereint verschiedene Best Practices:
• Umfangreiche Fallstudien zeigen das systematische Vorgehen und die transparenten Resultate des Systementwurfs mit HERAKLIT.
• Komposition von Modulen ist mit Verfeinern und Vergröbern kompatibel.
• Adapter, Digitaler Zwilling, Entwurfsmuster etc. helfen zur Orientierung.
• Zustandseigenschaften und Lebendigkeitseigenschaften können logik-basiert formuliert und analysiert werden.
Im Beispiel in Abbildung 6 blockieren ein Kunde und ein Händler sich gegenseitig. Eine zwischengeschaltete Bank in der Rolle eines Adapters löst die Blockade.
Abb. 6: eine Bank als Adapter zur Lösung eines Deadlock
Vergleich mit anderen Frameworks
Die Wirtschaftsinformatik kennt vielerlei Frameworks zur Modellierung, beispielsweise: ARIS, EPK, BPMN, MEMO, St.-Galler Ansatz des Business Engineering und UML. und Die meisten bieten graphische Darstellungen zur Beschreibung von Verhalten (bspw. BPMN, EPK), einige haben Ausdrucksmittel für Datenstrukturen (bspw. ARIS, MEMO), in Ansätzen auch für Schemata (MEMO). Manche kennen Module, und mehr oder weniger formal definierte Kompositionsoperationen. Keines der Frameworks definiert für alle seine Modelle eine formale Semantik, sondern belässt es auf intuitiv plausiblen Beschreibungen. Somit erreicht kein anderes Framework den Umfang der Ausdrucksmittel von HERAKLIT.
Zusammenfassung und Ausblick
Wie kein anderes Framework fasst HERAKLIT die drei Säulen Architektur, Statik und Dynamik zur Modellierung rechnerintegrierter Systeme zusammen. Wiederum schlagwortartig formuliert auf technischer Ebene:
HERAKLIT = Module + Relationalstrukturen + lokale Schritte
und auf der Ebene der Kalküle:
HERAKLIT = Kompositionskalkül + Logik + Petrinetze.
Als nächstes werden weitere Fallstudien und industrielle Anwendungen realisiert, Analysemethoden weiterentwickelt und leistungsfähige Softwarewerkzeuge geschaffen.
Literatur
Fettke, P.; Reisig, W.: Handbook of HERAKLIT. 2021. – HERAKLIT working paper, v1.1, September 10, 2021, http://www.heraklit.org
Fettke, P.; Reisig, W.: Modellieren mit HERAKLIT. CoRR abs/2203.09493 (2022), angenommen zur Modellierung 2020, Hamburg.
Reisig, W.: Associative composition of components with double-sided interfaces. Acta Informatica, 56(3):229–253, 2019.